Aufforderung zum Stopp des Zungenkussplakats für bet-at-home.com (Agentur: gantnerundenzi)

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Hofmeister: "Was soll daran frauenfeindlich sein, wenn eine Frau sich fortbilden will?"

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Eines stellt Walter Zinggl sofort klar, für politische Werbung und Claims wie "Daham ist Islam" ist der Werberat nicht zuständig. Und: "Werbung ist zielgerichtete Kommunikation, keine Kunst. Werbung darf also nicht alles". Der ORF-Vermarkter vertrat den Werberat bei einer Diskussion zum Thema "Was darf Werbung?". Jeder, der sich von einem Sujet beleidigt, belästigt, diskriminiert fühlt, kann sich dort beschweren. 107 solcher Beschwerden sind 2008 bisher behandelt worden, vier Prozent davon wurden mit der Aufforderung zum Stopp der Kampagne belegt. 90 Mitglieder hat der Werberat Neu, diese entscheiden darüber, ob ein Sujet gestoppt werden soll.

"Was soll daran frauenfeindlich sein"

Entscheidungen dieses Gremiums sind für viele oft nicht nachvollziehbar, im Sommer sorgte etwa die Aufforderung zum Stopp des Zungenkussplakats für bet-at-home.com von der Agentur gantnerundenzi für Aufregung. Und Rita Hofmeister von Jung von Matt/Donau kann die Entscheidung des Werberat zum Wifi-Sujet nicht nachvollziehen, die Agentur ließ das "Krone"-Mädchen mit dem Kursbuch vor dem nackten Oberkörper und dem Text "Sorry, ich suche mir einen anspruchsvollere Job" werben. Massive Beschwerden dazu gab es zum Beispiel von Frauenministerin Silhavy, der Werberat belegte diese Kampagne mit einem Stopp. Hofmeister: "Was soll daran frauenfeindlich sein, wenn eine Frau sich fortbilden will?"

Werberat "kein Ableger des Opus Dei"

"Der Werberat ist weder eine Konsenskultur noch ein Ableger des Opus Dei. Der Werberat ist nicht angetreten, Relikte der katholischen Gesellschaft hochzuhalten", so Zinggls Antwort auf Werberin und Künstlerin Cosima Reif. "Im österreichischen Werberat gehe es vor allem um die Rechte der katholischen Moral.", meint sie. Aber gerade kleine Kunden müssten mit ihrer Werbung in einer Konsensgesellschaft auffallen. Reif erzählt von ihren Erfahrungen mit dem Kunden Sixt, der vorgab: "Wenn wir nicht einmal im Monat eine Einsweilige Verfügung bekommen, dann feuere ich die Werbeagentur".

Auch die Familie Putz vom XXXLutz sorgte für Beschwerden beim Werberat. Von 1999 bis 2001 war Reif für Lutz tätig,"wir haben uns selber oft so geschämt. Wenn uns wer in Bars gefragt hat: 'Nein, nein, ich mache Darbo!' Aber: Lutz ist damit zum Marktführer geworden. Die Leute lieben das Grauen." Reif: "Es ist nicht immer schlecht, wenn man geschmacklos ist".

Nicht ausgrenzen, unterwandern

Auch CCA-Präsident Eduard Böhler und Geschäftsführer von Wien Nord fragt sich, wie Kreative und der CCA mit dem Werberat umgehen sollen, auch ihn wundern so manche Entscheidungen des Werberates. Ein Selbstregulierungsgremium setze voraus, dass es einen gesellschaftlichen Konsens gibt, er will wissen, ob es diesen Konsens tatsächlich gibt und wo dieser steht, das müsse ständig hinterfragt werden. Der Werberat wäre gut beraten, sich auch andere Öffentlichkeiten anzuschauen. Böhler: "Es war nicht leicht, dass sich aus dem CCA Menschen finden, die beim Werberat mitmachen". In Richtung Kreative appelliert er: "Grenzen wir den Werberat nicht aus, versuchen wir, ihn zu unterwandern". (Astrid Ebenführer, derStandard.at, 19. November 2008)