Wien - Die Koalitionsverhandler sind hin und her gerissen. Auf der einen Seite wurde striktes Stillschweigen zwischen SPÖ und ÖVP vereinbart, auf der anderen Seite gilt es, bereits aufkommende Kritik an der sich abzeichnenden Steuerreform zurückzuweisen.
SPÖ-Koordinatorin Doris Bures trat am Mittwoch Einwänden der Opposition entgegen, wonach die untersten Einkommen durch die Steuerreform nicht entlastet würden. Zum einen habe man bereits im Juli die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Kleinsteinkommen abgeschafft beziehungsweise gesenkt. Und zum anderen würden rund 80 bis 90 Prozent der 2,3 Milliarden Euro an Entlastung Einkommen bis 4000 Euro zugute kommen, sagte Bures.

1,2 Milliarden für Kleinere

Durchgesickert ist bereits, dass der Eingangssteuersatz ab 2009 von 38,3 auf 36,5 Prozent gesenkt wird und erst ab einem Jahreseinkommen von 11.000 Euro einsetzt. Der mittlere Steuersatz wird von 43,6 auf 43,2 Prozent gesenkt. Der Spitzensteuersatz wird erst ab der Höhe von 60.000 Euro Bemessungsgrundlage fällig. Fix ist das Ganze freilich erst, wenn die Koalitionsverhandlungen tatsächlich positiv abgeschlossen werden können. SPÖ-Chef Werner Faymann hält eine Einigung schon am Sonntag für möglich, ÖVP-Chef Josef Pröll glaubt, dass es noch ein paar Tage länger dauern wird. "Wir brauchen Qualität vor Tempo."

DER STANDARD hat sich jedenfalls vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) bereits die konkreten Auswirkungen der Steuerreform ausrechnen lassen. Prozentuell profitieren Bruttomonatseinkommen von 1200 Euro bis 1900 Euro am meisten, in absoluten Beträgen Einkommen ab 5800 Euro. Sie kommen auf eine jährliche Entlastung von 1355 Euro. Da der Spitzensteuersatz unverändert bei 50 Prozent bleibt, kann niemand mehr als die 1355 Euro an Ersparnis lukrieren.

Einnahmenausfall

Insgesamt werden laut Wifo Einkommen zwischen 10.000 und 25.000 um 1,2 Milliarden Euro entlastet. Bei der Gruppe 25.000 bis 51.000 Euro Jahresgage macht die Erleichterung 620 Millionen Euro aus. Und für die Gruppe über 51.000 Euro gibt es 230 Millionen.

Auch wenn die Reform für den Staat 2,3 Milliarden Euro an Einnahmenausfall bedeutet, wird die inflationsbereinigte Steuerlast 2009 de facto wieder auf dem gleichen Niveau wie vor der letzten Reform 2005 sein. Am ehesten werde die kalte Progression noch bei den unteren Einkommen ausgeglichen, meinen Experten. Die Grenze für den Spitzensteuersatz, die seit 1989 nicht mehr angepasst wurde, hätte man für einen vollen Inflationsausgleich hingegen auf mindestens 75.000 anheben müssen.

Zusätzliche Entlastung von Selbstständigen

Dem Vernehmen nach ist auch eine zusätzliche Entlastung von Selbstständigen geplant. Analog zum steuerbegünstigten 13. und 14. Gehalt bei den Unselbstständigen will die Wirtschaftskammer seit langem, dass bei den Selbstständigen ein Sechstel des Jahreseinkommens niedriger besteuert wird. Diese "Sechstelbegünstigung" dürfte es zwar nicht geben, allerdings ist ein Freibetrag-Modell für die Selbstständigen im Gespräch. (Günther Oswald Gerald John/DER STANDARD-Printausgabe, 20. November 2008)