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Auf Präsident Medwedew könnte Präsident Putin folgen.

Foto: APA/EPA/Kochetkov

Achtmal bereits wurde die Verfassung der Russischen Föderation in ihrer 15 Jahre jungen Geschichte geändert. Anders als die bisher rein formalen Korrekturen, die den föderalen Aufbau Russlands betrafen, hat die jüngste Änderung eine weitaus größere Tragweite.

Am Freitag ebnete die Duma in der dritten und letzten Lesung den Weg für die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre. Die Duma selbst soll künftig für fünf statt für vier Jahre gewählt werden. Föderationsrat und Regionalparlamente müssen noch zustimmen, und Staatschef Dmitri Medwedew muss die Änderung unterschreiben. Doch das gilt als Formsache.

In nur zwei Wochen wurde der Vorschlag, den Medwedew in seiner ersten Ansprache als russischer Präsident vorbrachte, durchgepeitscht. Eigentlich wurde der Vorschlag, die Amtszeit des Präsidenten zu verlängern, schon vor einem Jahr von Medwedews Vorgänger Wladimir Putin ins Spiel gebracht. Beobachter gehen daher auch davon aus, dass Putin, der während seiner achtjährigen Amtszeit immer vor einer Verfassungsänderung zurückschreckte, seinen Schützling mit dem Korrekturvorschlag vorschickte. Denn von der Amtszeitverlängerung profitiert nicht der amtierende Präsident, sondern erst dessen Nachfolger. Und der könnte laut russischen Politologen Wladimir Putin heißen.

Seit der Ankündigung Medwedews haben Kremlologen in Russland wieder Hochkonjunktur. Die Zeitung Wedomosti spekulierte unter Berufung auf Regierungsquellen, dass Medwedew angesichts der Finanzkrise zurücktreten und Putin schon im nächsten Jahr wieder in den Kreml einziehen könnte. Dank Verfassungsänderung könnte er dann bis 2021 Präsident sein. Putin musste laut Verfassung nach zwei Amtszeiten in diesem Jahr das Präsidentenamt abgeben und hievte seinen Vertrauten Medwedew in den Kreml. Eine Rückkehr als Staatsoberhaupt schloss er jedoch nie aus.

"Große Nervosität"

"Die unerwartete Ankündigung der Verfassungsänderung und die Geschwindigkeit, mit der sie durchgezogen wird, zeugt von der großen Nervosität der Regierenden" , sagte Jens Siegert von der Moskauer Vertretung der Heinrich-Böll-Stiftung. Kreml und Regierung befürchten, dass der durch die Finanzkrise verursachte Wirtschaftsabschwung zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die sich in den vergangenen Jahren an stetig steigende Löhne und Pensionen gewohnt hatte, führen könnte. Nach jüngsten Prognosen könnten Mitte nächstens Jahres 1,5 Millionen Russen ihre Arbeit verlieren.

Einige russische Beobachter kritisieren die Verfassungsänderung. "Es bestand die Hoffnung, dass man erkennt, dass die Verfassung das institutionelle Fundament der gesamten russischen Staatlichkeit ist. Und dass man das ganze Gebäude gefährdet, wenn man beginnt, dran zu rütteln" , schrieb das Magazin Nowoje Wremja. Die Versuchung der einzelnen Gruppierungen, die Verfassung in ihr Machtspiel aufzunehmen, werde künftig größer sein, meinte der Politologe Gleb Pawlowski vom Fonds für effektive Politik. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes WZIOM halten 67 Prozent der Russen die Verfassungsänderung aber für zulässig. (Verena Diethelm aus Moskau/DER TANDARD, Printausgabe, 22.11.2008)