20.000 Flüchtlingen bleibt die Rückkehr verwehrt.

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Wien/Moskau/Tiflis - "No business as usual" ist eine Formel, deren Inhalt Europäer und Amerikaner nun nach und nach entleeren. Bei Krisentreffen von EU und Nato war sie im August als Losung ausgegeben worden: keine Beziehungen mehr wie gewohnt mit Russland nach dem Einmarsch in Georgien.

Vergangene Woche kamen die Staats- und Regierungschefs beim EU-Russland-Gipfel überein, dass die Gespräche über ein großes Partnerschaftsabkommen mit Moskau wieder aufgenommen werden sollten. Am Dienstag begann auch Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer mit dem Rückzug.

Die Allianz könne nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Sie dürfe die Beziehungen zu Russland aber auch nicht abbrechen, formulierte de Hoop Scheffer bei einer Tagung der parlamentarischen Versammlung der Nato-Staaten:"Vertrauensvolle Beziehungen zwischen der Nato und Russland sind der beste strategische Aktivposten für die internationale Sicherheit." Beim Treffen der Nato-Außenminister in zwei Wochen dürfte der Neustart des Nato-Russlandrats entschieden werden.

Lediglich Peter Semneby, der Sondergesandte der EU für den Südkaukasus, hält noch am "No business as usual" fest. Beim vereinbarten Rückzug der russischen Truppen auf Positionen vor dem Kriegsausbruch am 7. August gebe es noch offene Fragen, meinte der schwedische Diplomat - "und das ist ein eher milder, geradezu euphemistischer Ausdruck".

Gespräche ohne Plan

Auf diesen Rückzug will Georgien bei der zweiten Runde der Genfer Gespräche heute, Mittwoch, pochen. Dass es zu mehr als zum Austausch prinzipieller Positionen kommt, gilt als unwahrscheinlich. Ein Treffen der Vertreter beider Kriegsparteien von Angesicht zu Angesicht wäre schon ein Fortschritt. Denn nicht einmal das war beim Start der Verhandlungen in Genf am 15. Oktober gelungen. Die EU, UNO und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)hatten keinen Plan für Inhalt oder Format der internationalen Verhandlungen, die im letzten Punkt der Waffenruhe festgelegt waren.

In den drei Monaten, die seit dem Kaukasus-Krieg vergangen sind, hat Russlands Präsident Dmitri Medwedew Fakten geschaffen. Die Armee zog sich wie vereinbart aus den "Pufferzonen" um die georgischen Separatistengebieten Südossetien und Abchasien zurück, Moskau ließ sich dafür die dauerhafte Stationierung von jeweils wenigstens 3600 Soldaten in "Freundschaftsverträgen" garantieren und installierte in Südossetien mit Aslanbek Bulatsew einen russischen Beamten als neuen Premierminister.

Rückzug auf die Positionen vor dem 7. August würde allerdings heißen: nicht mehr als 500 russische Soldaten in Südossetien und Räumung des zuvor georgisch verwalteten Kodori-Tals in Abchasien und der Stadt Akhalgori mit ihren umliegenden georgisch bevölkerten Dörfern. 20.000 Georgier können als Folge des Kriegs derzeit nicht mehr zurück in ihre Häuser, so erklärte am Dienstag auch Amnesty International. In einem neu vorgestellten Bericht sprach die Organisation von einer "Zone der Unsicherheit" , die an den Grenzen der Separatistenprovinzen entstanden sei. Fast täglich kam es dort zuletzt zu Schießereien und tödlichen Anschlägen. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2008)