Newt Gingrich sieht es sportlich. Wahlen vergleicht er mit dem Super Bowl, dem Finale der Football-Profiliga. Die republikanische Mannschaft, sagt er, gleiche einem mittleren College-Team, das beim Super Bowl mitzuspielen versuche. Mit anderen Worten, eine Liga zu hoch. "Wir müssen uns ehrlich fragen, was da schief gelaufen ist."
Allein, dass Gingrich wieder aus der Versenkung auftaucht, zeigt, in welcher Trauerphase sich die Partei Abraham Lincolns und Ronald Reagans befindet. Noch vor einem Jahrzehnt war der Mann mit der grauen Tolle der zweitmächtigste Mann im Lande. Im Amt des Parlamentspräsidenten trieb er Bill Clinton vor sich her, sprach von einer konservativen Revolution. Vor zwölf Monaten tauchte er ab, und nun kehrt er zurück aus dem Ruhestand. Beim Wundenlecken der Republikaner will der fast vergessene Altmeister nicht fehlen.
Gingrichs Analyse fällt schonungslos aus, aber nicht nur seine. John McCain steht dabei gar nicht so sehr im Mittelpunkt der Kritik. Der habe, so der Tenor, aus einem miserablen Blatt noch das Beste gemacht. Was konservative Strategen extrem beunruhigt, ist der langfristige Trend: Gerade bei Wählergruppen der Zukunft büßt man massiv an Unterstützung ein. Die Hispanics, das am schnellsten wachsende Segment der Bevölkerung, stimmten nur zu 31 Prozent für McCain, nachdem sie vier Jahre zuvor noch zu 44 Prozent für George Bush votiert hatten. Die Jungen unter dreißig wählten zu zwei Dritteln Barack Obama. Auch Hochschulabsolventen, einst mit Sechs-Prozent-Mehrheit auf der Seite Bushs, entschieden sich für Obama. "Die Partei hat den Kampf um die Hirne verloren", schreibt der Economist. "Und den Kampf der Ideen hat sie noch eindeutiger verloren." Es ist ein Dilemma, das die Grand Old Party spaltet. Beim Richtungsstreit schälen sich zwei Flügel heraus, Reformer und Traditionalisten.
Die Reformer glauben, dass Lincolns Urenkel nur dann eine Chance haben, wenn sie den Zeitgeist verstehen. Der Wind weht nicht mehr aus der Richtung Ronald Reagans, der einen schlanken Staat und niedrige Steuern predigte. Die Finanzkrise hat viele Amerikaner so verunsichert, dass sie wieder Zuflucht beim früher so geschmähten Uncle Sam suchen.
Als Kopf der Modernisierer scheint sich Bobby Jindal zu profilieren, der 37-jährige Gouverneur Louisianas. Der personifizierte Versuch, eine Antwort auf Obama zu finden. Jindals Familie stammt aus Indien, er selbst wurde als Hindu geboren, bevor er im Studentenalter zum katholischen Glauben konvertierte. Seine Feuertaufe bestand er, als Ende August der Hurrikan Gustav auf New Orleans zusteuerte und der Gouverneur eine nahezu reibungslose Evakuierung organisierte. Ein tüchtiger Staatsmanager, wenn man so will.
Die Traditionalisten dagegen glauben, dass der Siegeszug Obamas nicht mehr ist als eine vorübergehende Mode. Die Grundstimmung im Lande sei nach wie vor von den Werten Reagans geprägt. Bush habe sich nur davon abgewandt, indem er die Staatsausgaben in ungeahnte Höhen trieb. Ergo müsse das Motto lauten: Zurück zu den Wurzeln. Sarah Palin steht am prägnantesten dafür. Sie wird von Karikaturisten nur noch als Großwildjägerin gezeichnet. Auf den Bildern wetzt sie das Messer, um einen Elefanten zu häuten - das Wappentier der Republikaner. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2008)