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Senioren werden bald nicht nur mit der Spielkonsole Wii spielen. Eine Erfindung aus Österreich soll auch Motoriktraining vor dem TV möglich machen.

Foto: Orlowski/Getty

Gefahren im Alltag: Eine 75-jährige, alleinstehende Frau kocht. Sie wird unterbrochen, als das Handy läutet und der Enkelsohn zehn Minuten lang von seinem Lebenstraum Motorrad spricht, um die Gönnerin in der Großmutter wachzurütteln. Das Essen ist aus dem Gedächtnis verschwunden. Im günstigsten Fall kommt die Pensionistin durch üblen Gestank aus der Küche dahinter, etwas vergessen zu haben. In Zukunft könnte ihr ein kleiner elektronischer Hausgenosse dabei helfen, es nicht einmal so weit kommen zu lassen. "Du hast noch etwas auf dem Herd stehen!" , würde der Helfer aus Metall, Drähten und Chiptechnologie dann sagen.

Hier handelt es sich um keine Scienc-Fiction-Fantasie, sondern um das EU-Projekt CompanionAble. Forscher von insgesamt 18 Institutionen und Universitäten wollen einen mobilen, lernfähigen Roboter bauen, der die ältere Generation im Alltag unterstützt. Die Basis dafür ist ein Netz aus Sensoren, die in die Wohnung unsichtbar integriert werden. Mit ihnen wird der Roboter "kommunizieren".

Er registriert dabei nicht nur Gefahren, er kann auch bei alltäglichen Wegen und Handgriffen in den eigenen vier Wänden helfen - wie eine mobile, intelligente Fernbedienung. "Zieh bitte die Jalousien runter!" , könnte der Befehl lauten. Und der Diener würde ihn über eine integrierte Fernsteuerung ausführen. Fernsteuerung soll aber auch von außen möglich sein. Das heißt: Pflegezentralen können über diesen elektronischen Hausfreund überwachen, ob der Gesundheitszustand der Person im Haushalt zufriedenstellend oder besorgniserregend ist.

Nicht lästig sein

Ein Roboter weckt den Spieltrieb. Die Forscher wollen so eine große Hürde bei der Entwicklung von Technologien zur Unterstützung der älteren Generation überspringen: Die Benutzerakzeptanz. Arjan Geven vom am Projekt beteiligten Wiener Usability-Forschungszentrum Cure: "Wir stellten uns dabei viele Fragen: Wie muss der Roboter ausschauen, um als Helfer und nicht als Kontrollsystem akzeptiert zu werden? Ab welchem Zeitpunkt wird seine Unterstützung angenommen, wie oft darf er auftreten, ohne lästig zu wirken? Wie viel Aufwand darf man den Benutzern zumuten, ohne sie zu belasten? Die Antwort will man durch Einbeziehung der "Zielgruppe" während der Entwicklung gefunden haben.

Eine Vielzahl von Ideen für eine höhere Lebensqualität der älteren Generation dank neuer Technologien wird derzeit umgesetzt. Das geschieht auch, weil innerhalb der EU viel Geld für diese Entwicklungsarbeit bereitliegt: Das europäische Forschungsförderprogramm Ambient Assisted Living (AAL, Budget 2008: 57,7 Millionen Euro) wurde heuer nach der österreichischen Initiative Benefit des Infrastrukturministeriums (Budget der ersten beiden Ausschreibungen: zwei Millionen) gestartet.

Über den Bedarf scheint es keinen Zweifel zu geben: Umfasste die Gruppe der über 65-Jährigen im Jahr 2000 noch knapp 16 Prozent, so wird sie sich bis zum Jahr 2050 nach Schätzungen von Demoskopen verdoppeln. "Aufgrund der zunehmenden Kaufkraft älterer Menschen eröffnen sich neue Marktchancen für Österreichs Unternehmen" , heißt es im Infrastrukturministerium.

Die Frage der größtmöglichen Benutzerakzeptanz will man auch im niederösterreichischen Hightech-Unternehmen Life Systems im RIZ Amstetten gelöst haben: Das interaktive Assistenzsystem Lissi, mit finanzieller Hilfe des Gründerservices Accent entwickelt, ist eine Settop-Box, die direkt an das Fernsehgerät angeschlossen und über eine Internetverbindung mit einer Servicezentrale verbunden wird.

Verhaltensmuster lernen

Lissi lernt die Verhaltensmuster der Menschen, deren Gesundheitszustand kontrolliert werden soll. Läuft alles rund, dann gibt das System die automatische Meldung "Mir geht es gut" weiter. Stürzt die Person, an die sich das System gewöhnt haben sollte, dann erhält die Zentrale logischerweise die negative Nachricht "Mir geht es nicht gut" .

Firmengründerin Doris Hausberger erzählt, dass Lissi auch eine Erinnerungshilfe sei. Über die Fernbedienung sollte man auch Heizung, TV oder Sonnenschutz bedienen können. Ein Knopfdruck, und das Taxi steht nach wenigen Minuten vor der Tür. Wer hat davon nicht schon lange geträumt?

Schließlich sollte Lissi auch ein Fitnesstraining über interaktive Spiele möglich machen. Die Großeltern beim Training der Motorik? Da und dort wird vielleicht jemand zu Übungszwecken auf die Spielkonsolen von Enkelkindern zurückgreifen. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2008)