Michael Köhlmeiers aus Funk und Fernsehen vertraute Stimme einmal anders: verletzt, verletzlich, brüchig und räudig.

Foto:Heribert Corn

Wien - Am Neujahrsmorgen des Jahres 1953 liegt Hank Williams auf der Rückbank seines himmelblauen Cadillacs. Tot. Diese Szene - ein kraftvolles Standbild der Popkultur - hat der Schriftsteller Michael Köhlmeier in seiner Geschichte "May You Never Be Alone Like Me" (1999) festgehalten: Ungewöhnlich ist der Fokus auf den jugendlichen Chauffeur der Outcast-Country-Legende. Der merkt nämlich gar nicht gleich, dass der immer schweigsame Chef diesmal nicht nur seinen Rausch ausschläft.

Auch in Köhlmeiers jüngstem Roman "Abendland" (2007) taucht Hank Williams, eine Art Hillbilly-Shakespeare, auf: Eine Romanfigur plant ein Buch mit Musikerbiografien und kombiniert den Mann aus Alabama ausgerechnet mit den Gebrüdern Schrammel: "Das Weinerliche als große Kunst betrachtet" soll Motto des Essays sein.

Aus sehr persönlichen Gründen hat Köhlmeier nach seinen literarischen Bezügen auf den Musiker nun 12 Lieder nach Motiven von Hank Williams aufgenommen. Für einen Krankenhausaufenthalt packte der Autor einen Riesenvorrat an CDs ein. Das Einzige, was er dann tatsächlich hören mochte, war Hank Williams: "Der hat mich so getröstet und aufgerichtet, dass ich mich vor ihm verneigen wollte", sagt Michael Köhlmeier. Resultat ist eine Hommage im schönsten Sinn des Wortes, getragen von Düsterkeit und Sehnsucht, Lakonie und Rebellion, Verlorenheit und Bereitschaft zum Glück: Seelenmusik. Die Lieder sind nicht einfach Coverversionen, Manches bleibt nah an der Vorlage wie "Cold, Cold Heart" oder "My Son calls Another Man Daddy". Ein andermal bleibt von einem Song nur eine Akkordfolge, eine Stimmung. Eine Besonderheit: Gesungen wird in Vorarlberger Mundart.

Musikalische Schlagseite

In seiner Heimat kennt man die musikalische Schlagseite des Erfolgsautors: Mit seinem Jugendfreund Reinhold Bilgeri war Köhlmeier (Jg. 1949) kabarettistisch unterwegs, 1973 nahm man das Album "Owie lacht" auf. Ewig haltbar scheint auch der Hit, in dem sich Vor-ar-l-berg (auf vier Silben gedehnt) auf als Land an Zwerg reimt. Michael Köhlmeier antwortet heute auf die Frage, ob er zu dem Lied noch steht, mit einem klaren "Nein!". Genau genommen habe er es nie mögen, er nehme Reißaus, wenn das, was so manchem als heimliche Hymne gilt, angestimmt werde. Allerdings: Kommerziell war die in Windeseile als Albumfüller "reingeschmierte" Nummer ein Erfolg: "Ich verdanke ihr zwei Drittel meines Studiums." In den 2009 erscheinenden zweisprachigen Band mit Songtexten von Michael Köhlmeier wird das Lieblingslied seiner Landsleute jedenfalls nicht aufgenommen. Das Buch versammelt 107 Lyrics des Prosaisten Michael Köhlmeier, dessen erstes Theaterstück 1974 "Like Bob Dylan" hieß.

Hank Williams' Stimmung passt zum aktuellen Projekt: Blues und Gospel, Tanz und Fest klingen an, wenn Pedal-Steel, Banjo, Akkordeon und Bass für den entsprechenden Sound sorgen. Auch was die Texte anlangt, trifft Michael Köhlmeier den Ton jenes Künstlers, den der er nicht mit Shakespeare, sondern mit Ernest Hemingway oder Raymond Carver vergleicht. Alltägliche und existenzielle Situationen sind grundiert von Schwermut, Zähigkeit und Sentimentalität. Wie bei jeder gelungenen Rezeption gibt es keine Musealisierung. Die Vorbereitungen, um am Wochenende einen draufzumachen, unterscheiden sich im 21. Jahrhundert nicht wesentlich von früher, im Detail aber doch: "Und am Nommitag tuat da Joe bada / Öl is Hoor und s' Handy uflada." ("Jambalaya").

Brüchig und räudig

Die Stimme Michael Köhlmeiers ist vertraut, aus Radio und Fernsehen. Auch in den Hank-Williams-Liedern gibt es diese glatte, professionelle Stimme, bei der man gleich Gegenwartsliteratur, antike Götter oder die Bibel mithört. Da gibt es aber auch noch eine Stimme, die aufhorchen lässt: In tieferen Lagen, brüchig und räudig, wird Michael Köhlmeier zu einem gebeutelten, verletzten und verletzlichen, dabei Ausbruch witternden Kerl.Auf der CD (ZapplMusic / Extraplatte) spielt der Sänger Michael Köhlmeier selbst nicht nur Gitarre, sondern auch Banjo, Mandola und Keyboards. Musiker sind der Schweizer Akkordeon-Virtuose Goran Kovacevic und der Ausnahmebassist Peter Herbert. Emil Durot, Mitglied des Country-Quintetts Whisky River, spielt die Pedal-Steel. Beim Konzert im Volkstheater spielt Letzterer mit Markus Kreil am Kontrabass und mit Günter Haumer am Akkordeon: Er, Mitglied der Neuen Wiener Concert Schrammeln und der Philharmonia Schrammeln, schlägt eine Brücke von Westösterreich zum Wienerischen - und dass Hank Williams zum Schrammel-Kosmos passt, steht ja schon im Roman geschrieben. (Petra Nachbaur/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 11. 2008)