Ferenc Gyurcsány (links) und Róbert Fico in Komárno (Komárom): Gemeinsame Erklärung zweier EU-Länder mit demokratie-politischen Selbstverständlich-keiten.

Der slowakische Ministerpräsident Róbert Fico und sein ungarischer Amtskollege Ferenc Gyurcsány trafen am Samstag in der südslowakischen Kleinstadt Komárno (ungarisch: Komárom) zusammen, um die jüngsten Spannungen zwischen den beiden EU-Ländern zu besprechen. Beide Regierungschefs nutzten die gemeinsame Pressekonferenz, die länger dauerte als ihr Gespräch unter vier Augen, zum Schlagabtausch vor laufenden Fernsehkameras.

Nahezu unbeachtet blieb die gemeinsame Erklärung, auf die sie sich einigten. Diese schreibt fest, was eigentlich zwischen demokratisch verfassten, nach vorne blickenden EU-Nachbarn selbstverständlich sein sollte. Zugleich zeigt sie, in welchem Umfang die beiden Länder sich in Prinzipienfragen einig sind. Gegen Extremismus und Neofaschismus müsse man "mit allen nötigen politischen und juristischen Mitteln" vorgehen, heißt es in dem Papier. Die Volksgruppen im jeweils anderen Land - etwa 500.000 Ungarn in der Slowakei und 20.000 Slowaken in Ungarn - sollen umfassende Unterstützung bei der Bewahrung ihrer Identität und Muttersprache erhalten.

Die gemeinsame Pressekonferenz im stilvoll renovierten Offizierskasino - das Städtchen mit dem alten Namen Komorn am Zusammenfluss von Donau und Waag beherbergte einst eine riesige k.u.k. Garnison - glich dann eher einem Duell der Rechthaber. Ungarn "exportiert Extremismus und Neofaschismus" , warf Fico seinem Gast vor: Der Irredenta-Tourismus rechtsextremer ungarischer Fußballrowdys und selbsternannter "Traditionspfleger" in die Slowakei verletze die Souveränität und die historischen Empfindlichkeiten seines Landes.

Das seien Randerscheinungen, konterte Gyurcsány, in der Slowakei hingegen sei der Extremismus Partner der Regierung, in Gestalt der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei (SNS), deren Chef Ján Slota gerne mit rüden Beleidigungen ungarischer Spitzenpolitiker herumwirft. Fico entgegnete darauf, dass er sich von solchen Äußerungen seines Koalitionspartners zu distanzieren pflege und dass seine Regierung "mit keiner einzigen Maßnahme oder Entscheidung irgendetwas getan hat, was die Rechte der Ungarn in der Slowakei geschmälert hätte".

Beide Politiker führten ihr Scharmützel aus unterschiedlichen Ausgangslagen heraus. Der verschiedentlich als Linkspopulist eingestufte Fico sitzt auf einem Polster hervorragender Umfragewerte und verwaltet dank der Reformen seiner Vorgänger ein wirtschaftlich erfolgreiches Land. Mit nationalistischen Gesten versucht er, Slota die Wähler abzuwerben.

Der Sozialdemokrat Gyurcsány ist hingegen im eigenen Land schwer angeschlagen. Dessen Wirtschaftslage ist schlecht, weil weder er noch seine Vorgänger sich zu echten Reformen durchringen konnten. Mit kämpferischem Einsatz für die vermeintlichen Interessen seines Landes versucht er das ihm verbliebene Terrain zu halten.

Doch der patriotische Schaukampf findet im jeweiligen Lager nicht nur Zuspruch. Zu Beginn des Treffens in Komárno versammelten sich vor dem Rathaus rund hundert Schaulustige, Bürger dieses so mitteleuropäischen Städtchens. Als Fico Gyurcsány mit einem schwungvollen Handschlag begrüßte, brandete Applaus auf. Zwei ältere Herren, die aus Bratislava gekommen waren, hielten ein Schild mit der Aufschrift "Für ein Europa ohne Barrieren" hoch. Peter Kurhajec, der Chef der Ferdinand-Martinengo-Gesellschaft, und sein Kollege parlierten mit neugierigen Journalisten locker auf Deutsch, Slowakisch und Ungarische. "Welche Barrieren meinen Sie?" , fragte jemand. "Die Barrieren in den Köpfen, die müssen endlich weg." (Gregor Mayer aus Komárno/ DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2008)