Washington - Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat erstmals die Bereitschaft signalisiert, den geplanten US-Raketenabwehrschild unter Umständen zu akzeptieren. "Wir haben eine Chance, das Problem zu lösen, indem wir uns entweder auf ein globales Raketenabwehrsystem einigen oder zumindest eine Lösung für die bestehenden Programme finden, die die Russische Föderation zufriedenstellen würde", sagte Medwedew am Samstag in Washington.

Russland ziehe allerdings ein globales Abwehrsystem "zersplitterten nationalen Elementen" vor, erläuterte Medwedew in einer Rede vor dem Council on Foreign Relations (CFR). Damit knüpfte er an frühere Äußerungen seines Vorgängers Wladimir Putin an, der einen gemeinsamen Abwehrschild der USA und Russlands vorgeschlagen hatte.

Keine Eskalation

Medwedew betonte, von Russland werde keine Eskalation des Streits um die US-Pläne ausgehen: "Wir werden nichts unternehmen, bevor Amerika den ersten Schritt tut." Zugleich äußerte er die Hoffnung, die Regierung des designierten US-Präsidenten Barack Obama werde die bisherigen Planungen noch einmal überdenken. Erste Signale deuteten darauf hin, dass Obama die Raketenabwehr-Pläne der scheidenden US-Regierung nicht einfach abnicken werde, sagte der russische Präsident. "Den amerikanisch-russischen Beziehungen fehlt das nötige gegenseitige Vertrauen." Er hoffe, dass sich dies mit dem Regierungswechsel in den USA ändern werde.

Medwedew hatte einen Tag nach der US-Präsidentenwahl angekündigt, als Antwort auf den geplanten Raketenschirm der Vereinigten Staaten mit Komponenten in Polen und Tschechien eigene Kurzstreckenrakete an die polnische Grenze zu verlegen. Zudem verkündete er den Stopp zuvor angekündigter Abrüstungsschritte. Mit dem Zeitpunkt dieser Äußerungen habe er keineswegs Druck auf Obama ausüben wollen, sagte Medwedew nun in Washington. Er werde den künftigen US-Präsidenten bald nach dessen Amtsantritt treffen und gehe davon aus, dass es dann wichtigere Themen als den Streit über den Raketenabwehrschild geben könne. "Ich bin vorsichtig optimistisch", sagte Medwedew.

Der amtierende EU-Ratspräsident und französische Präsident Nicolas Sarkozy will indes keinen Druck auf Polen udn Tschechien ausüben, ihre Zustimmung zur Stationierung des umstrittenen Raketenschilds zurückzunehmen. Jedes Land habe das Recht, frei über eine Errichtung des Raktenschilds zu entscheiden, sagte er in Washington. Auf dem EU-Russland-Gipfel am Freitag in Nizza hatte der EU-Ratsvorsitzende Moskau und Washington aufgerufen, auf eine Stationierung von Raketen zu verzichten. Die polnische Regierung hatte daraufhin kritisiert, Sarkozy habe kein Mandat der EU, mit Medwedew darüber zu diskutieren.

Am Rande des Weltfinanzgipfels in Washington sei das Thema mit Vertretern Russlands besprochen worden, sagte Sarkozy. In Treffen mit Vertretern der USA hingegen sei der Raketenschild nicht zur Sprache gekommen. (APA/Reuters)