Sarah und Anton Hedenig (von links) mit Hund Lisa vorm Haus auf dem Hügel, Objekt der Wünsche und Sorgen.

Foto: Standard/Andy Urban

Krensfeld/Wien - "Es war ja immerhin eine Bank - und der hab ich halt vertraut", sagt Anton Hedenig, 46-jähriger Eisenbahner und Gewerkschafter aus dem Burgenland. "Außerdem waren ich und meine Exfrau ja nicht allein dort: Andere Paare haben an diesem Tag in der selben Bank auch einen Fremdwährungskredit unterzeichnet."

Er sagt es - und heute, acht Jahre nach dem denkwürdigen Termin im steirischen Kreditinstitut, nehmen seine Worte unvermittelt den Charakter einer Rechtfertigung an. Der Verdacht, schlicht unkritisch gewesen zu sein, scheint an Hedenig schwer zu nagen. Denn aus derzeitiger Sicht hat ihm die Unterschrift unter die vielen kleinbedruckten Seiten des - damals noch - 1,5-Millionen-Schilling-Kredits in japanischen Yen und Schweizer Franken vor allem Sorgen eingebracht.

Finanzieller Spielraum null

Sorgen um das Haus, das er zum Teil um die geborgten umgerechnet 110.000 Euro gebaut hat und das im schlimmsten Fall, wenn die Bank auf Konvertierung des Kredits in Euro bestehen sollte, zwangsversteigert werden müsste: Weil Hedenig, der nach seiner Scheidung Alimente berappen und auch sonst noch Abzahlungen tätigen muss, null finanziellen Spielraum hat. "Jeden Tag, wenn ich zum Postkasten gehe, fürchte ich, dass ein Brief von der Bank gekommen ist", schildert er.

Kurios mutet des Kreditnehmers Schilderung der Kreditvergabe an: Ein Versicherungsvertreter habe ihm einen Finanzberater empfohlen, der ihm "attraktive Alternativen" zum früheren normalen Hypothekarkredit unterbreitete. Dabei habe er ihm "konservative Veranlagung" versprochen - in einem Fidelity-Fonds mit verschiedenen Aktien. Welche Aktien? "Das weiß ich bis jetzt nicht genau", antwortet der Hausbesitzer.

Am Tag der Unterschrift dann habe man sich "in einer Raststation an der Autobahn nach Graz" getroffen. Anwesend: Ein bisher unbekannter Vermögensberater und mehrere weitere potenzielle Kreditnehmer. "Wir wurden erneut gebrieft und sind zur Bank nach Graz gefahren. Dort ist alles ohne Probleme gelaufen."

Und das wäre es wohl bis heute, wären der Wert von Yen und Schweizer Franken im Verhältnis zum Euro nicht massiv gestiegen und hätte die Finanzkrise viele Aktienkurse nicht ins Bodenlose fallen lassen: "Wir müssen davon ausgehen, dass sich in Österreich zwischen 20.000 und 50.000 Häuselbauer in der Fremdwährungskreditfalle befinden", meint der Grüne Abgeordnete Peter Pilz, der sich einiger einschlägiger Fälle angenommen hat.

Auch Peter Kolba, Leiter der Rechtsberatung beim Verein für Konsumenteninformation (VKI), kommen Hedenigs Schilderungen glaubwürdig vor: Er wisse von "einer ganzen Reihe von Fällen, wo Fremdwährungskredite unter derart fragwürdigen Bedingungen abgeschlossen worden sind", sagt er im Standard-Gespräch. Der VKI hat daher eine Reihe von Musterprozessen laufen.

In Hedenigs Fall, der von seiner Bank nicht kommentiert wird, ist das Ergebnis der Geldbeschaffung ein einstöckiges Elk-Europahaus, komplett mit Keller, 4800-Liter-Gastank und Möbelhausmöbel in dem Räumen. Hier wohnen der Vater nach seiner Scheidung und seine zwölfjährige Tochter Sarah zusammen. Vorne ist das Objekt efeubewachsen, hinten mit Gärtchen und Grillplatz versehen. Jenseits des Zaunes erstrecken sich die Felder des nordburgenländischen Hügellandes, die an diesem Tag im November nebelverhangenen sind.

Auf einer Hügelkuppe oberhalb des kleinen Ortes Krensfeld liegt das fremdwährungskreditfinanzierte Haus. Am Rand einer Siedlung, wo "jedes zweite Objekt auf die gleiche Art entstanden ist", wie der Hausherr betont. Als sei es ein Kommentar zu seinen Worten, kurvt an diesem Nachmittag die Müllabfuhr mit der Aufschrift "ent-sorgen-frei" durch die Gassen.

Ein Haus für die Tochter

Begonnen hatten Hedenigs Hausbaupläne Mitte der 1990er-Jahre, zur Zeit der Familiengründung: "Als unsere Tochter Sarah unterwegs war, konnte ich mir unmöglich vorstellen, sie in einer Stadt wie Wien aufwachsen zu lassen", erzählt der untersetzte Mann. Die Kindheit der Tochter sei dann auch "sehr frei" gewesen, doch jetzt fürchte er vor allem wegen ihr, "die Hütten" wieder aufgeben zu müssen: "Das wäre schlimm", sagt er, "Sarah hat ihr ganzes bisheriges Leben in diesem Haus hier verbracht". (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 15./16. November 2008)