Edith Littich (Professorin Accounting and Finance, WU-Wien).

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Georg Schöppl (Vorstand Bundesforste).

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Christian Kern (Vorstand Verbund).

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Edith Hlawati (Partnerin bei den Anwälten Cerha, Hempel, Spiegelfeld, Hlawati).

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Wie sieht die Welt morgen aus? Was ändert die aktuelle Krise? Was hat Bestand? Kehrt der "ehrbare Kaufmann" als Leitbild zurück? Karin Bauer hat bei erfahrenen Wirtschaftskapitänen nachgefragt.

"Wenn man unter ehrbaren Kaufleuten eine verantwortungsbewusste und integre Führungsperson mit Handschlagqualität versteht, die Risiken fundiert einschätzen und nachhaltig denken kann, dann war dieser Charakter ja nie out und muss daher auch nicht wieder eingeführt werden", sagt Edith Hlawati, Partnerin der Kanzlei Cerha, Hempel, Spiegelfeld, Hlawati zu "neuen, alten Tugenden".

Durch die aktuellen Turbulenzen sieht sie "punktuelle Veränderungen" – zusätzliche Regulierung der Kapitalmärkte oder teilweise Rückintegration in staatliche Verantwortung. Substanziellen Wandel unseres Wirtschaftsverständnisses sieht sie nicht. Gute Führung ist für sie "zeitlos gute Führung". Aber: "Im Management wird sich jetzt die Spreu vom Weizen trennen. Schaumschläger und Blender werden entlarvt, Anspruchsdenken muss zurückgeschraubt werden. Werte wie Leistungsbereitschaft und Integrität zählen wieder mehr."

Werte schaffen

Wenn es einen Paradigmenwechsel geben muss, sagt Bundesforste-Vorstand Georg Schöppl, dann jenen, nicht in Quartalen und Jahren zu denken, sondern in Generationen. Umverteilung? Dies sei ja nur möglich, wenn es etwas zu verteilen gibt, so Schöppl, und das müsse vorher erwirtschaftet werden: "Trotz aller Auswüchse bleibt die Marktwirtschaft dafür, Werte zu schaffen. Auch das ist ein Ausfluss der Nachhaltigkeit." Das Gebot der Stunde in Sachen Leadership laute: "Ängste nehmen, Mut machen. Jammern hat noch keine Krise bewältigt."

Allerdings, fügt Schöppl hinzu, nichts wäre abwegiger, als jene Tugenden zu begraben, die echtes Unternehmertum gestern, heute, morgen ausmachen: "Fleiß, Sparsamkeit, überschaubare Risiken einzugehen und stets neue Wege zu erkennen und zu beschreiten. Erfolgreiche Unternehmen werden nicht mit Ärmelschonern geschaffen." Kontrollieren könne man nur das, was man auch versteht. Bei aller Komplexität unserer Gesellschaft sei es wichtig, Unternehmen so auszurichten, dass sie überschaubar und steuerbar bleiben.

Paradigmenwechsel

"Aus meiner Sicht stehen wir vor einem klaren Paradigmenwechsel", so Edith Littich, Professorin für Accounting and Finance an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Der Homo oeconomicus, der sich sowohl in der Theorie als auch in der Praxis, etwa durch anreizkompatible Entlohnungsschemata wiederfinde, werde angesichts der aktuellen Krise immer fragwürdiger. Es werde eine neue Form des Wirtschaftens notwendig, in deren Zentrum gesellschaftlich verantwortungsvolle Akteure stehen müssten. Nachsatz: "Ob das mit dem Großteil der heute aktiven Entscheidungsträger möglich sein wird, bleibt allerdings abzuwarten." Notwendig wäre jedenfalls, so Littich, diesen Entwicklungsprozess zu beschleunigen, da die Abwärtsspirale sonst kaum zu stoppen sei.

Für die Universität und ihren Bildungs- und Ausbildungskanon bedeute die gegenwärtige Krise sehr viel: "Wir müssen dazu beitragen, dass künftige Führungskräfte ihr Berufsziel nicht mehr allein im Haben (Gehalt, "fringe benefits") sehen, sondern auch im Wie – dass die Wahl gesellschaftlich verantwortungsvoller Mittel in den Vordergrund rückt. Werte wie Loyalität, Integrität, Verantwortungsgefühl, bedauert Littich, würden derzeit in Stellenausschreibungen zudem höchstens marginal erwähnt.

Konsolidierungsprozesse

"Die Zeit des schnellen, billigen Geldes ist vorbei", so Christian Kern, Vorstand im Energiekonzern Verbund. Das werde in allen Branchen zu Konsolidierungsprozessen führen, zu einem "flight to quality". Paradigmenwechsel sieht er nicht. Untergangs- und Erweckungsfantasien attestiert er "ein eher kurzes Leben". Kern geht davon aus, dass es Unternehmen künftig leichter fallen werde, dem Druck der Investmentbanker standzuhalten. "Oft genug haben Banken Unternehmensbilanzen als underleveraged kritisiert und höhere Fremdkapitalaufnahmen verlangt", kritisiert Kern und setzt nach: "Das waren bezeichnenderweise jene Investmenthäuser, die als Erste von der Landkarte verschwunden sind."

Gerade die heimische Wirtschaft sei nicht in den Fängen des Kasinokapitalismus gewesen, habe sich aber erfolgreich internationalisiert. Das werde bleiben, solche Unternehmen seien "Krisengewinner". Das Prinzip "anything goes" habe sich jedenfalls klar als Holzweg entpuppt, Abgehobenheit werde bestraft: "Langfristiger Wertaufbau verlangt auch langfristiges, authentisches Denken, sorgfältige Analyse und eine gewisse Demut vor der Herausforderung. Sich selbst zu wichtig zu nehmen ist dabei kein guter Ratgeber." (Karin Bauer/DER STANDARD; Printausgabe, 15.11./16.11.2008)