Die vielen Wochen zwischen Wahl und Amtsantritt des US-Präsidenten sind ein Relikt und stammen noch aus einer Ära, als die Postkutsche das einzige Beförderungsmittel war. Neugewählten Präsidenten bietet dieser archaische Zeitplan eine gute Gelegenheit, in Ruhe ein eigenes Regierungsteam zusammenzustellen - die Zahl der notwendigen Ernennungen geht bekanntlich in die Tausende. Aber inmitten einer tiefen Wirtschaftskrise ist dieses politische Vakuum eine echte Gefahr.

Niemand weiß, wer im Augenblick in Washington wirklich regiert. Obama betont zwar, dass bis zu seiner Angelobung am 20. Jänner George W. Bush der einzige US-Präsident ist. Deshalb bleibt er dem Weltfinanzgipfel am Wochenende fern, obwohl die angereisten Politiker viel lieber den neuen als den alten Präsidenten sprechen würden.

Gleichzeitig reißt Obama die Initiative immer mehr an sich: Er drängt auf die Verabschiedung eines Konjunkturprogramms und fordert Staatshilfe für Autokonzerne. Seine Berater lassen bereits verlauten, wie sie in Zukunft mit Al-Kaida, Guantánamo und anderen außenpolitischen Problemen umgehen wollen.

Obamas offensives Auftreten lässt Bush noch schwächer erscheinen, als er ohnehin schon ist. Vorerst aber hat der Amtsinhaber die Möglichkeit, vieles, ja fast alles zu blockieren, was sein Nachfolger will. Lässt er ihn die nächsten zehn Wochen abprallen und ausrutschen, dann zieht Obama bereits mit Schrammen ins Weiße Haus ein. Dies zu vermeiden erfordert viel Fingerspitzengefühl - und ist auch für Obama eine Chance zu zeigen, dass er es mit seinerAnkündigung einer neuen Art der Politik ernst meint. (Eric Frey/DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2008)