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Das Carabanchel- Gefängnis in Madrid, ein berüchtigtes Monument aus der Zeit der Diktatur unter Franco, wird derzeit abgerissen.

Foto: APA/EFE/Hidalgo

Spanien öffnet die Tore für seine verlorenen Söhne, Töchter und Enkel. Die sozialistische Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero beschloss ein Gesetz, das es den Opfern der Franco-Diktatur und deren Nachfahren ermöglichen wird, die spanische Staatsbürgerschaft zurückzuerhalten. Davon betroffen sind rund eine halbe Million Menschen in verschiedenen europäischen Ländern und in Lateinamerika.

Die rechtliche Bestimmung ist Teil des Gesetzes des historischen Gedenkens, das die dunklen Jahre des Bürgerkrieges und der Diktatur unter General Francisco Franco aufarbeiten soll. Sie sieht vor, dass diejenigen, die nach Beginn des dreijährigen Bürgerkrieges am 17. Juli 1936 und vor dem 31. Dezember 1955 das Land verließen sowie deren Nachfahren ein Recht auf die spanische Nationalität haben. Dies betrifft nicht nur politische Flüchtlinge, sondern auch die Wirtschaftsemigranten. Die Exilierten verloren ihre Staatsangehörigkeit. Viele derer, die der wirtschaftlichen Not entflohen, trugen ihre Kinder nicht in den Listen der Konsulate der verhassten Diktatur ein. Deshalb sind die Kinder und Enkel bisher keine Spanier.

Internationale Brigaden

Außerdem sollen die wenigen noch lebenden Angehörigen der Internationalen Brigaden, die der von Francos Militärputsch bedrängten spanischen Republik zur Hilfe eilten, ebenfalls die spanische Staatsangehörigkeit beantragen können. Anders als bei einer Regelung aus dem Jahr 1995 können sie dazu ihre bisherige Staatsangehörigkeit beibehalten.

"Endlich werden die Verteidiger der Freiheit ordentlich gewürdigt" , begrüßt Ludivina García die Entscheidung. Die 62-jährige Vorsitzende der Vereinigung der Nachfahren der Exilierten wuchs selbst als Kind eines Flüchtlingspaares in Mexiko auf. Sie hat bereits die spanische Staatsangehörigkeit. "Allerdings nicht als Tochter von Spaniern, sondern dank meiner Ehe mit einem spanischen Staatsangehörigen."

García schätzt die Zahl derer, die jetzt ihre Nationalität zurückbekommen können, auf eine halbe Million. 80.000 Nachfahren der insgesamt mehr als 250.000 politischen Flüchtlinge leben in Lateinamerika. Doppelt so viele in Frankreich. Der Rest sind Kinder und Enkel von Wirtschaftsimmigranten. Allein 300.000 der Betroffenen leben in Argentinien.

Allerdings hat García auch Bedenken, was die neue Bestimmung angeht. "Die Regierung nennt die politischen und die wirtschaftlichen Flüchtlinge in einem Atemzug Exil" , erklärt sie. Auch wenn sie nicht dagegen ist, die wirtschaftlichen Flüchtlinge aus der harten Nachkriegszeit und deren Nachkommen anzuerkennen, sei dies eine "Geschichtsfälschung" . "Das Exil ist ein politisches Drama und hat nichts mit wirtschaftlichen Gründen zu tun."

Justizminister Mariano Fernández Bermejo ist damit nicht einverstanden. "Das Wort Exil umfasst alle diejenigen, die aus politischen Gründen das Land verließen, aber auch diejenigen, die dies aus wirtschaftlicher Not taten. Wer Ende der 40er-Jahre aus dem Gefängnis kam und sich in einer feindlichen Welt nicht zurechtfand, wie sollen wir das nennen? Wirtschaftliches oder politisches Exil?", fragt Bermejo. Die Betroffenen haben jetzt zwei Jahre Zeit, um ihre Anträge einzureichen. (Reiner Wandler aus Madrid/DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2008)