Roland M. Kreutzer, Tripple Internet.

Im letzten Beitrag habe ich gerade das Thema "passive User" hinsichtlich der Werbung und der Werbewirkung betrachtet, schon kommt ein ähnliches Thema hoch. Der IAB hat ein spannendes Podium nach der Wahl zusammengestellt und die Parteienvertreter ihre Aktivitäten im Web präsentieren lassen. Wie sich herausgestellt hat, ist für Parteien in Österreich das ganze Web im 2.0-Fieber (und für viele andere Bereiche abseits der Politik steht die gleiche Vermutung im Raum).

Politiker bloggen, ihre Assistenten twittern, die Partei kommuniziert mit Videos in ihren Plattformen und das bescheidene Wahlbudget im Web geht bei der Erstellung von 2.0igen Portalen und sozialen Netzwerken drauf. Jeder Politiker, der das möchte, kann so ein kleiner Obama werden...

1.0 kommt vor 2.0!

Eine Sache übersehen die Verantwortlichen dabei nur gänzlich: Selbst in den USA, wo "Social Media" wesentlich weiter verbreitet ist, sind diese Methoden nur in einer sehr kleinen (wenn auch wichtigen) Zielgruppe relevant. Für die breite Masse braucht es stattdessen "klassische" Mechanismen der Massenkommunikation, auch wenn diese vermehrt im Internet stattfindet. "1.0" ist nicht unbedingt wichtiger als "2.0", aber eben die Basis dafür.

Die ersten Hausaufgaben einer Kampagne - auch und gerade im Internet - müssen also sein: Reichweite in der gewünschten Zielgruppe erreichen, mit ausreichend Werbedruck die Zielgruppenansprache sicherstellen. Nach (!) der Pflicht kommt die 2.0-Kür: Meinungsführer und Kommunikative (in der Praxis der Politik wohl meist eher die eigenen Funktionäre und Nahestehende) können im Web 2.0 angesprochen und an sich gebunden werden.

Wie daneben die Parteien mit ihren letzen Kampagnen gelegen haben müssen, zeigen die eigenen Zahlen bei besagter Diskussion. So wurden die Gelder statt um Zielgruppen anzusprechen für eigene Web-Portale ausgegeben. Und dort freute man sich schon, wenn gerade einmal fünfstellige Userzahlen erreicht werden konnten. Vermutlich User, die der Partei sowieso nahestehen.

Steuern statt gesteuert werden

Die Wahl ist vorbei, das Thema also in dieser "Ecke" bis zum nächsten Urnengang vergessen. Aus der Erfahrung weiss ich aber, dass nicht nur Politiker, Parteien und ihre Dienstleister in die 2.0-Falle tappen. Wenn jemand im FMCG-Bereich seine Marke in Suchmaschinen nach Marken-Keywords belegt, wenn das Marketing bloggt und nur viral spielt statt gezielt wirbt, wenn Marken ihre Profile in Social-Networks erhalten statt Markenführung auch über Kampagnen aktiv an Zielgruppen machen, dann geht viel schief. Das Web 2.0 trifft nur eine kleine Zielgruppe hochaktiver Web-User und ich wage zu bezweifeln, dass außerhalb der engsten IT- und PR-Welt ausreichend Reichweite (also Kundenpotentiale) für klassische Kampagnenziele dort zu erreichen sind. Auch wenn ich selbst als Teil der Community selbstverständlich auch dort für Gespräche offen bin (und mit das auch im Marketing erwarte), kann das Web 2.0 in der Werbung nur eine kleine Rolle spielen - die klassische Werbung aber keinesfalls ersetzen.

Und weil wir hier in einem Blog sind ;-) freue ich mich schon auf zahlreiche Meinungen und eigene Erfahrungen zu diesem Thema. Die Antwort auf die Frage, wie viele Prozent der User in Österreich im "werblich nutzbaren" Web 2.0 angekommen sind (mir bekannte Zahlen bewegen sich zwischen weit unter 10 und knapp 20 Prozent) wäre beispielsweise spannend! (Roland M. Kreutzer/11.11.2008)