Das gewohnte Bild in Ambulanzen: viele Patienten, lange Wartezeiten.

Foto: Standard/Fischer

Demnach ist die Behandlung der Zuckerkrankheit nur die zwölftbeste in Europa. Nun wird Ursachenforschung betrieben.

****


"Eines der reichsten Länder der Welt geht sorglos mit Diabetes um. Eine Schande." So lautete der Tenor der Kritik heimischer Ärzte und Patientenvertreter, als sie mit den "katastrophalen" Ergebnissen des ersten Euro Consumer Diabetes Index konfrontiert wurden. Die österreichische Diabetes-Behandlung ist demnach im Europavergleich der Behandlungssysteme nur auf dem zwölften Platz gereiht. Dänemark führt diese Reihung an. Deutschland, von Österreichs Gesundheitspolitikern gern milde belächelt, liegt an achter Stelle. Beim Euro Health Consumer Index 2007 war Österreich noch als großer Gewinner hervorgegangen. Damals hieß es, nun die Bestätigung für das "beste" Gesundheitssystem erhalten zu haben.

Wie kam der Euro Consumer Diabetes Index zu den Daten? Die Biochemikerin Beatriz Cebolla, Project Managerin des Euro Diabetes Index, sagte dem Standard: "Wir befragten Ärzte, Patienten und Kammer. Wir verwendeten aber auch Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO, vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaft Eurostat und European Core Indicators in Diabetes (EUCID), die Daten über die Risiken und Komplikation von Diabetes und ihre Vermeidung in den EU-Mitgliedstaaten sammeln."

Die Umfrage spiegelt wider, was Selbsthilfegruppen seit Jahren kritisieren. Präventionsmaßnahmen gegen Fettleibigkeit, die Hauptursache für Typ2-Diabetes, seien unzureichend. Patienten müssten in überfüllten Diabetes-Ambulanzen warten, wo zum Teil wenig Zeit für spezielle Fragen bleibe. "Sie fühlen sich schlecht informiert. Manche wissen den für das Management ihrer Krankheit wichtigen Blutzucker-Langzeitwert (Hba1c) nicht."

Die Initiative "Therapie aktiv" (praktische Ärzte bieten Diabetes-Schulung und -Behandlung an) sollte diese Situation verbessern, werde aber zu wenig beworben.

Erich Wolfrum von der Selbsthilfegruppe "Aktive Diabetiker" meint, schlechte Zuckereinstellungen durch derlei "Systemfehler" würden Patienten bis zu zehn Lebensjahre kosten - und erwähnt auch den Kostenfaktor. Jedes Gesundheitssystem würde sich durch geschulte niedergelassene Ärzte viel Geld ersparen: Durch weniger Spitalsaufenthalte und weniger Kosten für die Behandlung der Folgeerkrankungen bei schlechter Diabetes-Therapie.

Ein weiterer Kritikpunkt der Autoren des von der Pharmafirma Pfizer unterstützten Euro Diabetes Index: die "alles andere als großzügigen Erstattungsvorschriften für Arzneimittel gegen Diabetes und medizinische Geräte."

Die Kassen sehen das naturgemäß nicht so: "Wir geben relativ viel Geld aus, doch die Effizienz ist vergleichsweise gering," sagt Franz Bittner, Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse. (Peter Illetschko, DER STANDARD, Print-Ausgabe 10.11.2007)