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Überschüsse in Europa steigen, das Glas Milch wird wieder günstiger. Das schmeckt Konsumenten, schlägt Landwirten und Molkereien aber schwer auf den Magen. Foto: AP

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Während sich die Konsumenten über die Milchpreissenkung freuen, stöhnen die Molkereien: "Jeder Cent der eingespart wird, geht auf Kosten der Landwirtschaft"

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Österreichs Handelsketten senken unter Protest der Bauern und Molkereien die Milchpreise. Der Diskonter Hofer verkauft den Liter seit Montag um zehn Cent günstiger, Rewe und Spar ziehen nach. Grund ist neuer Milchüberschuss in Europa: Die Produktion stieg, der Absatz brach ein. Die Tiroler Bauern überlegen nun einen Aufmarsch in Brüssel.

Der Verdacht auf Preisabsprachen in der Milchwirtschaft in Österreich hat sich nicht erhärtet. Ein Milchgipfel hatte die Kartellbehörde zu Ermittlungen veranlasst. Sie sind nahezu abgeschlossen, Gerichtsverfahren wird es nicht geben.

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Wien - Der Verdacht der österreichischen Kartellwächter auf Preisabsprachen in der Milchwirtschaft hat sich nicht erhärtet. Die Ermittlungen seien derzeit kurz vor dem Abschluss. Es werde eine Kopfwäsche für die Beteiligten des Milchgipfels von Anfang Juni geben, allerdings kein gerichtliches Nachspiel, erfuhr der Standard aus der Bundeswettbewerbsbehörde.

Beim Gipfel hatten sich die Vertreter der Handelsketten, darunter Hofer, Rewe und Spar, der Molkereien und der Landwirtschaft getroffen, um über Auswege aus dem jüngsten Milchboykott zu beraten. Die Kartellbehörde leitete daraufhin eine Untersuchung ein, ob dabei nicht auch Preise ausverhandelt worden seien. Das habe sich jedoch nicht bestätigt, heißt es nun.

Der Konflikt um die Milch wogt in Österreich dennoch neu hoch. Die Handelsketten, allen voran Hofer, senken, wie berichtet, zum Ärger der Bauern und Verarbeiter die Preise. Der Diskonter Hofer verbilligte den Liter Frischmilch gestern, Montag, um zehn Cent. Die Eigenmarke kostet damit etwa 69 Cent. Die Butter ist nun um 20 Cent günstiger zu haben. Wie erwartet zieht Rewe mit. Auch der Dritte im Bunde der Handelsriesen, Spar, will in in den kommenden Tagen die Preise für Molkereiprodukte senken.

Der Grund sind neue Milchüberschüsse in Europa. Zudem ist der Absatz an Milchprodukten auch in Österreich deutlich zurück gegangen. Sie hatten sich seit 2007 überdurchschnittlich rasch verteuert - lagen preislich jedoch immer noch unter dem Niveau von 1995. Konsumentenschützer machten vehement gegen die Teuerung mobil.

"Der Frust unter den Bauern ist hoch", sagt Ewald Grünzweil. Der Chef der IG Milch führte im Juni tausende Landwirte in den Streik, um ein Abrutschen der Preise zu verhindern. Der Lieferboykott wurde beendet, ohne die Molkereien und den Handel zu Zusagen für höhere Preise zu bewegen. Zu einem neuen Streik will sich die Branche derzeit nicht hinreißen lassen, die Bauern sollten sich aber für "Aktionen" bereit halten, Grünzweil weiter. Er fordert, um den Milchüberschuss in Griff zu bekommen, härtere Strafen bei Überlieferung.

Tiroler Bauern denken derweil über Protestmaßnahmen in Brüssel nach, sollten die Milchquoten 2015 fallen und die Erzeugerpreise weiter sinken. Josef Hechenberger, Landwirtschaftskammer-Präsident der Tiroler, bezeichnete EU-Kommissarin Mariann Fischer-Boel als die "Totengräberin der Bauern."

Eine Studie von Arthur D. Little sieht die Milchpreise auch langfristig fallen. Die Molkereien stünden vor einer Konsolidierung. Die Konzentration der Branche in Ös- terreich sei im internationalen Vergleich zu gering, ebenso ihre Margen. Während Danone auf 14 Prozent komme, liege sie bei Nöm bei vier Prozent. "Studien haben uns schon vor dem EU-Beitritt abgeschrieben", winkt Günther Geislmayr, Präsident der Milchverarbeiter, ab. Würden die Österreicher arbeiten wie internationale Multis, stünden sie auf verlorenem Boden. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.11.2008)