Man muss nicht bis in die ehemalige DDR fahren, um eine sozial und ökonomisch verfallende Gegend zu studieren - auch im steirischen Eisenerz ist es nicht viel anders: Die alten Industrien haben ihre Bedeutung verloren, die Landwirtschaft ist ein Randphänomen, Tourismus ist allenfalls ein Nischenprogramm. Wer kann, zieht weg. Und das können vor allem die Jüngeren, besser Gebildeten, Kaufkräftigeren. Ihnen stehen städtische Welten offen - da gibt es nicht nur bessere Chancen auf einen adäquaten Arbeitsplatz, sondern auch eine Infrastruktur, die es in der Peripherie nie geben wird. Was zurück bleibt sind die Alten.

Die ländlichen Regionen altern noch schneller als die städtischen. Wo junge Menschen abwandern, wachsen auch keine Kinder nach. Gewiss: Man kann Kindergärten und Schulen bauen, Breitbandinternet-Anschlüsse und Kulturzentren einrichten, um eine Grundversorgung sicherzustellen. Aber man muss sich auch damit abfinden, dass nicht jedes Bergtal, nicht jede entlegene Streusiedlung, nicht einmal jede ehemalige Industriegemeinde für alle Ewigkeiten hochsubventionierter Dauerlebensraum sein muss.

Es gibt Gebiete, in denen der armen, alten Bevölkerung noch einige lebenswerte Jahrzehnte mit ausreichender Versorgung bleiben müssen, wo der Staat aber schon jetzt sagen sollte, dass hier künftig zurückgebaut wird. Verlassene Landschaften sind ja auch eine Chance: Sollte irgendwann einer der derzeit so beliebten städtischen Bereiche allzu unwirtlich werden, werden künftige Generationen die Alternative haben, sich einen der jetzt verödenden Räume wiederzugewinnen. Zum Beispiel Eisenerz. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2008)