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Zukunftsforscher Andreas Reiter glaubt, dass Österreichs Tourismus gestärkt aus der Krise hervorgehen wird.

Zur Person

Andreas Reiter hat 1996 das ZTB Zukunftsbüro in Wien gegründet. Er berät Firmen und Organisationen in strategischer Planung, Produktentwicklung und strategischem Marketing.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Standard: Touristiker in Österreich befürchten, Gäste könnten wegen der Finanzkrise nun andere Sorgen haben als Urlaube zu buchen. Zurecht?


Reiter: Absolut. Es ist ja so, dass ehemals gehypte Länder, die unseren Tourismus in den vergangenen Jahren über Wasser gehalten und den Rückgang deutscher Gäste teilweise kompensiert haben, nun auch von der Krise erfasst wurden. Das ist bei uns noch nicht so ins Bewusstsein gedrungen.

Standard: An welche Länder denken Sie?


Reiter: Das betrifft im Grunde ganz Osteuropa inklusive Russland und Rumänien. Dort hat sich die heimische Tourismusbranche besondere Chancen ausgerechnet. Schwer betroffen von der Krise ist auch Ungarn. Der Forint hat rund ein Viertel seines Werts verloren. Das schmälert die Kaufkraft. Insgesamt ist es ein Riesenproblem für uns, dass nun auch Länder von der Krise betroffen sind, die sich in unserer Tourismusstatistik zuletzt positiv bemerkbar machten. Das wird zu sehr tabuisiert.

Standard: Inwiefern?


Reiter: Unternehmen brauchen Frühwarnsysteme, um rechtzeitig reagieren zu können, falls sich Änderungen am Markt ergeben. Das ist in der Autoindustrie so, auf dem Bau und in vielen anderen Bereichen auch. Im Tourismus wird das aus meiner Sicht zu wenig gemacht.

Standard:
Unter dem Eindruck der langen Depression in Deutschland hat es Versuche gegeben, vermehrt Gäste aus anderen Ländern anzusprechen. Zu wenig?


Reiter: Wenn sich eine solche Krise anbahnt wie jetzt, müsste es eine eigene Task Force geben, die über entsprechende Instrumente und Geldmittel verfügt, um gegensteuern zu können. Stattdessen wird das Problem lieber verdrängt, nach der Devise, es wird schon nicht so schlimm kommen.

Standard: Wo sollte die Task Force eingerichtet werden?


Reiter: Das kann von der Österreich Werbung bis zur Hoteliervereinigung gehen. Da gibt es unterschiedliche Player, die auch unterschiedliche Interessengruppen ansprechen. Idealerweise sollte es eine übergeordnete Task Force sein, die ein Frühwarnsystem für die Branche etabliert. Die könnte auch Themen wie den Klimawandel aufgreifen, den es ja weiter gibt, auch wenn zur Zeit von anderen Dingen mehr gesprochen wird.

Standard: Wie unterscheidet sich diese Krise von früheren?


Reiter: Einmal dadurch, dass man sie irrsinnig schwer im Verlauf vorhersagen kann. Ein weiteres Problem ist, dass viele versenkte Gelder, zum Beispiel unserer Banken im Ost-Geschäft, noch nicht transparent gemacht worden sind. Das große Problem bei dieser Krise ist auch, dass quer durch die Märkte und Branchen alle so stark miteinander vernetzt sind und dadurch kontaminiert werden können.

Standard: Also ungleich gefährlicher als früher?


Reiter: Ja, bei früheren Krisen gab es rezessive Märkte und daneben solche, die über ein gutes Wirtschaftswachstum verfügt haben. Da gab es immer einen Ausgleich. Jetzt haben wir die Schleife bis in den arabischen Raum. In Dubai etwa, wo sich eine riesige Immobilienblase aufbaut, könnte es auch noch einen Crash geben - mit fatalen Folgen für uns. Das sind ja alles potenzielle Kunden.

Standard: Wer wird jetzt im österreichischen Tourismus am meisten unter der Krise leiden?


Reiter: Ein großes Problem sehe ich für die Stadthotellerie, dort gibt es ja auch schon Einbrüche. Airlines fliegen weniger Passagiere, der Geschäftstourismus geht zurück, Incentive-Reisen werden weniger.

Standard: Und die Ferienhotellerie?


Reiter: Der heurige Winter kann noch ganz gut werden, die Buchungslage ist im Moment ja nicht schlecht. Die Hoteliers werden sich aber darauf einstellen müssen, dass die Leute Ausgaben reduzieren. Die Gäste werden statt durchschnittlich 3,9 Tage vielleicht nur mehr 3,4 Tage im Schnitt bleiben und auch sonst sparsamer sein.

Standard: Krisengewinner?


Reiter: Dazu zählt sicher der Diskontbereich. Budgethotels, die eher ein städtisches Phänomen sind, werden zunehmend auch in Ferienregionen Fuß fassen. Um das Prämiumsegment mache ich mir ebenfalls wenig Sorgen, die Luxusklasse wird ihre Klientel weiter haben. Generell werden nachhaltige Destinationen ein Erfolgsfaktor. Zunehmend eng wird es für Mittelklassehotels ohne spezielles Profil.

Standard: Kann die Krise auch eine Chance sein?


Reiter: Man sollte sie als solche verstehen und auch nutzen. Jedes Unternehmen muss wachsen, das ist quasi eine anthropologische Konstante und gilt auch für Urlaubsdestinationen. Jetzt wäre es an der Zeit, von quantitativem auf qualitatives Wachstum umzuschwenken, die angebotenen Leistungen zu überdenken, zu verfeinern, zu differenzieren, um dann, wenn der Markt wieder anzieht, mit neuen, überraschenden Produkten da zu sein.

Standard: Die Konkurrenz im Alpenbogen wird sich ebenfalls Neues überlegen, die sind ja ähnlich betroffen von der Krise wie Österreich?

Reiter: Österreich war touristisch immer Vorreiter, das war vor 15 Jahren mit Wellness so und könnte jetzt wieder so sein: Indem man anderen zeigt, wie man durch Krisentäler surft und gestärkt daraus hervorkommt. An Kreativität mangelt es nicht. Jetzt geht es um Entschlacken, um die eigene Revision, dann kommt der nächste Aufbruch. (Günther Strobl, DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2008)