"Camarades" nennen sich die französischen Sozialisten untereinander, was ungefähr so viel bedeutet wie: "meine liebsten Feinde" . Die sozialistische Partei Frankreichs mag vielleicht nicht sehr groß sein, gemessen an den Wählern im Land oder auch im Vergleich zur deutschen SPD, aber "camarades" hat sie sehr viele. Sehenden Auges steuert die linke Oppositionspartei nun in ein Debakel rund um die Wahl des neuen Parteichefs. Beim Parteitag in Reims kommende Woche wird sie ihre Zerrissenheit coram publico vorführen: Ségolène Royal gegen Bertrand Delanoë gegen Martine Aubry gegen Benoît Hamon.

"Reims" wird "Rennes", der fürchterliche Parteitag von 1990, als sich die Parteichefs im Kampf um die Nachfolge gegenseitig blockierten und die Delegierten auf den Rängen anfingen zu buhen. In Rennes waren erstmals gleich mehrere linke Strömungen innerhalb des Parti socialiste aufgetaucht. Auch knapp 20 Jahre später hat der PS dieses Phänomen nicht in den Griff bekommen. Ideenfreie Parteibarone, die ihr Fähnchen nach dem Wind richten, wie Ségolène Royal oder der im Hintergrund wirkende Laurent Fabius, rivalisieren mit klassischen Sozialdemokraten und unnachgiebigen Sozialisten. Doch alle haben nur eines im Sinn: die Kandidatur für die Präsidentschaftswahl.

Die globale Finanzkrise hat die Programmdarbietungen der Parteiführer nun durcheinandergebracht. Doch wer sich schneller bewegt, kann punkten. Der Staatschef selbst hat es vorgemacht: Nicolas Sarkozy ging als Duzfreund der Konzernchefs zu Bett und stand am nächsten Morgen als Kapitalismuskritiker auf. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2008)