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Eine 18 Kilometer lange Brücke soll den internationalen Flughafen von Seoul mit dem futuristischen Wirtschaftspark Incheon verbinden.

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Braches Bauland so weit das Auge reicht. Einige wenige in der Sonne glitzernde Bürotürme heben sich scharf vom lehmigen Boden ab. Ein Hubschrauber kreist über den Skeletten halbfertiger Wolkenkratzer. In der Ferne kragen Brückenpfeiler ins offene Meer. Die sechsspurige Autobahn scheint nahezu leer. Nur vereinzelt überholen Limousinen die knatternden Bautransporter.

Neue Metropole

6000 südkoreanische Bauarbeiter stampfen dort, wo noch bis vor kurzem das Gelbe Meer rauschte, eine neue Stadt aus dem Boden. 91 Mrd. Dollar an internationalen Investitionen fließen nach Incheon, einem Wirtschaftspark nahe Seoul. Auf 209 Quadratkilometern sollen Produktionen für High-Tech-Konzerne, Universitäten, futuristische Wohn- und Finanzdistrikte entstehen, modernste Daten-Highways - und mittendrin der mit 570 Metern zweithöchste Tower der Welt.

512.000 Einwohner soll Incheon in zwölf Jahren zählen. Die Koreaner hoffen, mit Steuererleichterungen Investoren aus aller Welt anzuziehen. "Wir bauen um 202 Milliarden Dollar eine neue Metropole" , sagt Hee Kyon Jo Min vom Büro für Business Opportunities in luftiger Höhe. Seine Gäste erfasst bei der Aussicht aus den Fenstern der Schwindel. Auch viele internationale Finanzexperten lässt der Blick in die Niederung des realen Marktes bange werden. Denn die Krise an den Finanzmärkten hat Südkorea härter getroffen als erwartet.

Ausländische Investoren ziehen ihr Geld ab. Der Index der Börse in Seoul brach seit Jänner um bis um die Hälfte ein. Die südkoreanische Währung Won erreichte zugleich Tiefststände, die es seit der Asienkrise vor elf Jahren nicht mehr gab, und die Dollarreserven schmelzen.

"Mehr als genug freies Kapital"

Hee Kyon Jo Min räumt ein, dass sich einzelne Projekte in der "Stadt der Zukunft" verzögerten. Bislang sei jedoch kein Partner abgesprungen, versichert er, bevor er weitere City-Pläne an die Wand projiziert. Chris Sausser ist einer der Investoren. Graumeliertes Haar, lässiger Anzug, Amerikaner und hochrangiger Manager der Gale International. Der Immobilienentwickler baut in Incheon um mehrere Milliarden Dollar. Künftig könnte es sicher schwieriger werden, meint er. Was die Projekte für die kommenden Jahre betreffe, so sei aber alles ausfinanziert. "Es gibt nach wie vor weltweit mehr als genug freies Kapital. Wir wurden von China angesprochen, wir hätten unseren Distrikt dort 13 Mal bauen können."

Südlich des Festlandes auf Jeju-do feiert sich die Wirtschaftselite. Koreanische Unternehmer aus aller Welt haben sich auf der Vulkaninsel zum Wirtschaftskongress versammelt. Tänze und Trommelwirbel umrahmen die Ansprachen der Minister. Es ist die Rede davon, dass Korea auch diese Finanzkrise überwinden werde. Kein anderes Land, habe gelernt, Schwierigkeiten derart rasch zu meistern. "Wir sind deutlich besser aufgestellt als vor der Asien-Krise, ergänzt Tong-Soo Chung, Chef von Kotra, einer Agentur, die Investoren holen soll.

Dass sich Asien von der westlichen Ökonomie entkoppeln könnte, sei ein Mythos, sagt Dae Whan Chang als sich die strenge Zeremonie des Galaabends lockert. Chang ist Chefredakteur der Maeil Business Newspaper, der viertgrößten Zeitung des Landes. Die Leute hier seien massiv verunsichert, die Krise der 90-er Jahre wirke psychologisch nach. "Aber ich garantiere Ihnen, in einem Jahr ist unsere Währung stärker als je zuvor" , fährt er im selben Atemzug fort und zeichnet ein neues Bild der Welt in die Luft: Die USAwürden künftig nur noch ein Drittel zur Weltwirtschaft beitragen, statt bisher zwei Drittel. Asien werde sich 20 Prozent davon sichern und Europa ein Drittel.

Export- und Konsumflaute

In Korea gilt es aber erst die drohende Flaute bei Export und Konsum abzuwenden. Es sind weniger große Konzerne als die Hausfrauen Südkoreas, die der Absturz der Aktienmärkte in die Bredouille bringt. Sie gelten als die Hüter der Familienbudgets - und als emsige Spekulanten. Viele sind an der Börse jetzt um ihr Vermögen gekommen, die Folgen auf den Konsum könnten dramatisch sein, warnen Experten. Unter KMU droht aufgrund restriktiver Kreditvergabe und verlängerter Zahlungsfristen eine Pleitewelle.Die Immobilienpreise sinken.

Wolfgang Slawinski lebt seit elf Jahren in Südkorea. Er vertritt hier das österreichische High-Tech-Unternehmen Frequentis und ist Vize der europäischen Handelskammer in Korea. An den guten Rahmenbedingungen für Investitionen habe sich nichts geändert, meint er. Neben Frequentis sind VA-Tech, Engel, AVL, AT&S und Doppelmayr vor Ort. Ein österreichisches Solar-Technik-Projekt ist in der Pipeline.  (Verena Kainrath aus Seoul, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.11.2008)