Linz/Graz - Ein niedriger Zaun begrenzt das Grundstück in der Bethlehemstraße 26. Links vom Eingangstor steht ein verlassen wirkendes Haus, an dem die Zeit sichtbare Spuren hinterlassen hat. Nichts deutet auf den ersten Blick auf einen besonderen Ort im Herzen von Linz hin. Von der Straße kaum einsehbar verbirgt sich auf einer kleinen Wiese die einzige jüdische Synagoge Oberösterreichs.

"Wir sind eine kleine Familie." George Wozasek, 83-jähriger Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, blickt nachdenklich auf die Holocaust-Gedenksäule am Vorplatz des 1968 geweihten Synagogenbaues. "Sind wir nicht alle Kinder eines Gottes? Hat uns nicht alle ein Gott erschaffen?" steht auf dem wuchtigen Monument. 620 Juden lebten 1938 in Linz, 192 wurden Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Manche konnten flüchten, nur wenige sind wieder nach Linz zurückgekehrt. "Heute zählt die Linzer Gemeinde rund 50 praktizierende Juden", erzählt Wozasek.

Der Boden, auf dem die heutige Synagoge steht, hat Narben. Wunden, die immer wieder schmerzen. Insbesondere an den ersten Tagen im November. Von Samstag auf Sonntag jähren sich die November-Pogrome zum 70. Mal. In den Morgenstunden des 10. November zündeten Nazi-Schergen auch die Linzer Synagoge an. Das 1877 eröffnete Gebetshaus brannte völlig nieder.

Nur das Kellergewölbe des ehemaligen Tempels hat die Zerstörung überstanden. In der Tiefe des Fundaments ruhte der unversehrte Grundstein, der die Gründungsurkunde bewahrte. "Der Stein wurde als Erinnerung unter dem Thoraschrein des neuen Bethauses in den Beton der Außenmauer eingefügt", erzählt Wozasek. Antisemitismus verspüre er heute in Oberösterreich eigentlich keinen: "Und sollte ich doch antisemitische Äußerungen hören, habe ich als Jude einen Vorteil. Ich kann mir immer denken: Mein Gewissen ist rein." Mit fast 2000 Mitgliedern war die jüdische Gemeinde in Graz eine der blühendsten der Bundesländer. Auch hier wüteten in der Nacht von 9. auf 10. November die Nazis. Am Sonntag werden daher um 20 Uhr die Glocken aller steirischen Kirchtürme läuten. Dann werden sich katholische und evangelische Christen mit Juden auf einen Lichter-Schweigemarsch von der Grazer Stadtpfarrkirche zur 2000 wieder errichteten Synagoge begeben. (Markus Rohrhofer, Colette M. Schmidt, DER STANDARD Printausgabe, 8./9.11.2008)