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Norbert Walter: "Die meisten Banken wollen eine stille Beteiligung, ohne Aufsicht - ob das dann hilft, ist die Frage."

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Die Banker hätten sich bei ihren Geschäften zu weit von der Realität entfernt, sagte er zu Renate Graber.

STANDARD: Die Banken bekommen Liquidität und Eigenkapital vomStaat, ist das die richtige Hilfe?

Walter: Die Überlegung war, dass die Inflation keine große Gefahr ist, die Rezession sehr wohl. Die Zuschüsse und Senkung der Zentralbankzinsen sind sachgerecht.

STANDARD: Wie beurteilen Sie, dass der Staat via Beteiligungen in den Unternehmen mitreden kann?

Walter: Es besorgt mich, dass manche Akteure, wie Nicolas Sarkozy inFrankreich oder die Linken inDeutschland nun sagen, wir brauchen für alles denStaat. Denn der neigt zum Protektionismus – dem anheimzufallen wäre gefährlich, ein Teil jener Fehler, die man in der Zwischenkriegszeit gemacht hat.

STANDARD: Eine vorübergehende Beteiligung des Staates an Banken halten Sie auch für gefährlich?

Walter: Nein, es wäre nur schlecht, wenn der Staat Modelle, die nicht mehr funktionieren, dauerhaft über Wasser hielte. DieRettungsaktion soll bewirken, dass das System keine Probleme hat, um die einzelne Bank geht es nicht. Wichtig ist, dass alle Beteiligungen zeitlich begrenzt werden und, wenn sich die Institute erholt haben, der Staat Erträge bekommt.

STANDARD: In Deutschland sind die Bedingungen für Staatshilfe wesentlich schärfer als in Österreich, Managergehälter etwa werden mit 500.000 Euro im Jahr begrenzt. In Österreich kaufen die Banken dem Staat Partizipationskapital ab; Aufsichtsratsmandate und Mitspracherechte bekommt er da nicht.

Walter: Die Absicht, Steuergelder nicht in private Hälse zu stecken, ist okay. Ich sähe es ja am liebsten, wenn sich der Staat richtig am Unternehmen beteiligen würde, mit Aufsichtsratssitzen und allem drumherum. Aber die meisten Banken wollen eine stille Beteiligung, ohne Aufsicht – ob das dann hilft, ist die Frage. Wobei die 500.000 Euro zum Problem werden können:Sehr gute Leute findet man um denPreis nicht überall. Man bräuchte ein bisschenFlexibilität. Wäre doch schön, wenn es Gentlemen unter den Bankern gäbe: Solche, die freiwillig aufEinkommen verzichten würden.

STANDARD: Erste-Bank-Chef Andreas Treichl sagt, er hätte unter deutschenBedingungen keine Staatshilfe genommen. Verstehen Sie ihn?

Walter: Verstehe ich. Man könnte unsere Bedingungen auch Gängelung oder Strangulierung nennen. Diedeutschen Banker holen sich trotzdemGeld und unterwerfen sich.Commerzbank-Chef MartinBlessing darf heuer nichts mehr verdienen, er hat schon zu viel.

STANDARD: Ist das österreichische Modell also besser?

Walter: Es ist praktikabler – erst recht, wenn es Gentlemen gibt.

STANDARD: Wie ungeschickt waren die Banker mit ihren Geschäften?

Walter: Ich arbeite selbst für eine Bank, sitze imGlashaus. Wir sind halt ganz normale Menschen und haben uns in den vergangenen Jahren von einer Woge des Glücks davon tragen lassen, weit weg von der Realität. Hoffentlich lernen wir.

STANDARD: Wir stehen vor einer Rezession, wie lange wird die dauern?

Walter: Die Europäer haben unterschiedliche Probleme, die werden bis ins Jahr 2010 hinein andauern. Und in den USA ist die Rezession erstens schon da und zweitens tief; der künftige US-Präsident Barack Obama wird mehrere Hände voll zu tun haben, seine eigenen werden gar nicht reichen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.11.2008)