Wels - Nach den überraschenden, nicht rechtskräftigen, Freisprüchen für fünf führende Mitglieder des als rechtsextrem eingestuften "Bundes freier Jugend" (BfJ) gehen jetzt die Wogen hoch. Für Robert Eiter, Sprecher des oberösterreichischen Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, sind die Freisprüche in erster Instanz aus "demokratiepolitischer Sicht mehr als bedenklich". Gerade bei Geschworenenprozessen komme es "immer wieder zu krassen Fehlurteilen", und es sei ein negatives Signal, dass "rechtsextreme Umtriebe offenbar ungesühnt bleiben", kritisiert Eiter.

"Tief betroffen" zeigte sich in einer ersten Reaktion auch der grüne Menschenrechtssprecher Gunther Trübswasser. "Das Signal, das von diesem Urteil ausgeht, ist in seiner Tragweite auf die Tätigkeit von rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Organisationen noch gar nicht abzusehen", kritisiert der Grünen-Politiker. Er hoffe auf eine "Korrektur des Urteils in der nächsten Instanz", für Menschenfeindlichkeit und rechtsradikale Umtriebe dürfe es nicht die geringste Toleranz geben. Natürlich würden Urteile von Laiengerichten immer auch ein Stück öffentliche Meinung widerspiegeln. "Aber genau dieser Umstand ist das Erschütternde. Aktivitäten und Aussagen Rechtsradikaler sind leider wieder ein Stück mehr salonfähig geworden", gibt Trübswasser zu bedenken.

Freie Jugend, rechtes Liedgut

Dem vorläufigen Freibrief für die rechten Recken war ein monatelanger Prozess vorausgegangen. Das Anklage-Menü, dass Staatsanwalt Franz Haas beim Prozessauftakt im Mai servierte, beinhaltete durchaus Schwerverdauliches.

Drei der Beschuldigten wurde vorgeworfen, im Zeitraum von Oktober 2001 bis Jänner 2003 den BfJ auf Basis von NS-Gedankengut geschaffen zu haben, um "durch dauerhafte Wiederbetätigung und Propaganda die verfassungsmäßige Struktur der Republik Österreich durch eine Volksgemeinschaft nationalsozialistischer Prägung zu ersetzen". Die beiden anderen Angeklagten seien ebenfalls führend als "Leiter der Einsatzgruppe" beziehungsweise rechtlicher Berater aktiv gewesen, führte Haas aus. Das BfJ-Programm sei "vielfach deckungsgleich mit dem Parteiprogramm der NSDAP". Kaderschulungen, Zeltlager und Kampfsporttraining hätten die Bfj-Mitglieder "fronttauglich" machen sollen.

Drei der Hauptangeklagten seien zudem maßgeblich an der Organisation des "Tags der volkstreuen Jugend" beteiligt gewesen. 2003 wurde dieser in St. Johann im Pongau von der Exekutive vorzeitig aufgelöst, und drei der Angeklagten wurden verhaftet. Und auch bei solchen "Jugendtagen" scheint man sich mitunter im Ton vergriffen zu haben. Akustisch-visuelles Zeugnis davon war beim Prozessauftakt ein Video einer Zugfahrt der "getreuen Jugend". Munter wird da vor laufender Kamera "Ein junges Volk steht auf" angestimmt - zu finden auch im Liederbuch der Hitlerjugend.(Markus Rohrhofer, DER STANDARD - Printausgabe, 7. November 2008)