Ein Gott in Gummizughosen: Daniel Johnston ließ sein Publikum in der Wiener Arena an das Gute glauben.

 

 

Foto: STANDARD /Fischer

Zuerst solo, dann mit Band. Eine Weihestunde.


Wien - "True love will find you in the end." Dann ging nichts mehr. Trotz minutenlangen, begehrenden Gejohles nach mehr kam Daniel Johnston nach diesem Song nicht mehr auf die Bühne. Das war schade, aber toll. Der Song ist nämlich nichts weniger als das Manifest eines unbeugsamen Idealisten. Daniel Johnston hat mit seinen 47 Jahren einiges überlebt: ein fundamentalistisch-christliches Elternhaus, psychiatrische Anstalten, Jobs bei McDonald's, manische Depressionsschübe, einen selbst verschuldeten Flugzeugabsturz - und auch den Hype um seine Person.

Dieser begann, als Nirvana-Sänger Kurt Cobain Anfang der 1990er-Jahre von Daniel Johnston gestaltete T-Shirts trug. Der Songwriter, der seit den späten 1970ern unzählige Stücke geschrieben und auf hunderten Kassetten aufgenommen hatte, wurde infolge von Major-Labels umworben - und nach einer gefloppten Veröffentlichung wieder fallengelassen. Johnston hat auch das überlebt und tourt heute halbwegs stabil durch die Welt - allein mit Gitarre oder mit kleiner Band.

Mit einer solchen war er am Mittwoch vor einem ergebenen Publikum in der Wiener Arena zu erleben. Und es war nichts weniger als eine Weihestunde. Johnston, dieses dickliche Enigma mit der hellen Stimme, die ihm Vergleiche mit einem anderen wirren Genius mit Namen Brian Wilson eingebracht hat, schmetterte ein herzzerreißendes Gonna Rock This Town Tonight in den Saal. Ein Stück, in dem dieser amtlich bestätigt größte Beatles-Fan der Welt den Tod von Linda McCartney beklagt - und sich mit dem von ihm ebenfalls heiß geliebten Marihuana darüber hinwegtröstet.

"All he cared about was art and being John Lennon" , beschreibt ihn sein Bruder in der Dokumentation The Devil and Daniel Johnston von Jeff Feuerzeig. Eine lebenslange Liebe, die sich an diesem Abend auch in einer gänzlich von Paul McCartney befreiten Version von Help äußerte, die man wohl nie verzweifelter interpretiert gesehen hat: Ein nach jahrelanger Drogen- und Medikamentenabhängigkeit gezeichneter und deshalb zittriger Kuschelbär klammerte sich an den Mikrofonständer und flehte vollen Herzens "Won't you please, pleeease help me!" Da weinten die Steine.

Johnstons seltsame Welt ist neben den Beatles voll mit Monstern und Superhelden. All das vermengt er mit der Naivität eines Kindes in wundersame Kleinode - seien es Songs oder Zeichnungen, die ebenso reißenden Absatz finden wie jenes T-Shirt, das Cobain einst trug: ein Monster mit Glupschstielaugen, darüber ein anderes Manifest der Johnston'schen Welt: "Hi, how are you."

Ringo Starr am Schlagzeug

Er selbst trägt T-Shirt und Gummizughose. Doch Lächerlichkeit ist bei Daniel Johnston kein Thema. Mit großen Kinderaugen stellte er sich in Life In Vain den Widrigkeiten des Lebens, während die Band dazu mit Stehbass, Schlagzeug (der Mann dahinter wurde natürlich als "Ringo Starr" vorgestellt) sowie zweiter Gitarre oder Keyboards behutsam rockte.

Johnston, der wieder bei seinen Eltern in Texas lebt, erzählte von Casper, The Friendly Ghost (bekannt aus Larry Clarks Film Kids) oder gab das euphorische Speeding Motorcycle. Ein perfekter Popsong, der in einer gerechten Welt in den Charts oben hauptgemeldet sein müsste. Und am Ende eben True Love Will Find You In The End. Ein kleines Licht ewiger Hoffnung in einem prinzipiell zur Verdunkelung neigenden Dasein.

Johnston ist einer der größten lebenden Musiker unserer Zeit. Kein Freak, kein Gitarrenvirtuose, kein gecasteter Trottel, sondern ein seinen Dämonen mit ausnahmslos positiver Kunst begegnender Musiker, der mit sehr, sehr schlechten Karten ins Spiel gegangen ist, dieses aber spielt, so gut er eben kann. Ihm dabei zusehen zu können ist mehr, als bloß ein Konzert zu besuchen. Es ist ein Geschenk - auch wenn's ein bisserl was kostet - den Eintritt und am Merchandise-Stand. Danke. Für alles. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.11.2008)