München - Das blaue Auge, mit dem Siemens für seine Korruptionsskandale davonzukommen hofft, wird rund eine Milliarde Euro kosten. Diesen Betrag wird der Elektromulti in seiner Bilanz 2008 (per 30. September) für Bußgelder an US-Börsenaufsicht SEC, US-Justizministerium und deutsche Behörden zurückstellen, gab Siemens am Mittwoch bekannt.

Laut Experten ist der Betrag deutlich niedriger, als ursprünglich zu befürchten gewesen sei. Die Milliarde wird laut Beobachtern neben den Geldbußen für Gerichtsverfahren (betreffend fünf Konzernsparten) in Deutschland auch die Strafe der SEC abdecken. Analysten hatten ursprünglich allein von dort mehrere Milliarden Dollar Strafe befürchtet. "Wenn eine andere Summe antizipiert worden wäre, wäre die Rückstellung anders ausgefallen" , sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person.

"Der Betrag basiert auf der Einschätzung des Stands der Gespräche mit den Behörden in Deutschland und in den USA durch das Unternehmen" , erklärte Siemens. Eine Entscheidung steht noch aus, im Aufsichtsrat wird mit einer Einigung mit der SEC nicht vor der Hauptversammlung Ende Jänner 2009 gerechnet. Für schwarze Kassen in der Telekomsparte hat Siemens bereits 201 Mio. Euro Buße bezahlt. Die Börse reagierte verhalten positiv, die Siemens-Aktie grenzte ihre Verluste auf drei Prozent auf 48,77 Euro ein.

Insgesamt verschwanden bei Siemens zwischen 1999 und 2006 rund 1,3 Milliarden Euro in dunklen Kanälen. Der Schaden, den der Schmiergeldskandal verursachte, belief sich zuletzt auf 1,8 Milliarden Dollar. Bei der Höhe der kommenden Strafe dürfte vor allem die SEC Siemens' enormen Anstrengung für eine funktionierende Korruptionsbekämpfung berücksichtigen. Mehr als 900 Millionen Euro gingen für Organisationsaufbau, Schulungen und die Aufarbeitung der Vergangenheit durch die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton und die Wirtschaftsprüfer von Deloitte bis Ende Juni aus.

Mit der Milliardenrückstellung ist es Finanzchef Joe Kaeser gelungen, alle großen Kostenblöcke in das letzte Quartal zu packen. Für Stellenabbau, Trennung von den Telefonsparten SEN und SHC sowie die Sozialstiftung kalkulierte Siemens bereits bis zu drei Milliarden Euro an Sonderlasten. Rund elf Mrd. Euro brachte dafür der Verkauf der Autozuliefersparte VDO an Continental. Analysten schätzen den Verlust im Schlussquartal auf 2,4 und den Gewinn im Gesamtjahr auf 6,3 Mrd. Euro.

Nichts im grünen Bereich ist unterdessen beim Softwarehaus PSEder Siemens Österreich. Rund 2400 Beschäftigte befürchten die Zerschlagung der unter Auftragsmangel leidenden PSE, die "Redimensionierung" kostet 475 Arbeitsplätze. Proteste auf dem Firmengelände hat Siemens-Chefin Brigitte Ederer untersagt, Siemensianer und GPA-Gewerkschafter marschieren am Donnerstag in die Siemensstraße. (Reuters, ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 06.11.2008)