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Mit 45 Jahren Verspätung erhält der Künstler Wolf Biermann nun endlich sein Diplom.

Foto: APA/EPA/Steffen

Berlin - Wenn die Berliner Humboldt-Universität (HU) an diesem Freitag dem Berliner Ehrenbürger Wolf Biermann (71) die Ehrendoktor-Urkunde überreicht, ist das mehr als ein gewöhnlicher Festakt für verdiente Zeitgenossen. Natürlich spielt die Lebensleistung des Liedermachers und Dichters bei der Auszeichnung eine große Rolle. Doch es geht auch um ein pikantes Kapitel Hochschulgeschichte. 1963 händigte die Humboldt-Uni ihrem Studenten Biermann sein Diplom für Philosophie nicht aus, obwohl er alle Prüfungen bestanden hatte. Im damaligen Ostberlin gab es dafür politische Motive. Am Freitag soll Biermann nun nicht nur den Ehrendoktortitel erhalten, sondern auch sein Diplom - mit 45 Jahren Verspätung.

In ihrer jüngsten Einladung spricht die Hochschule von einer "lang versäumten Pflicht" gegenüber Biermann, schon vorher nannte ein Sprecher die Feier einen "Akt der Wiedergutmachung". Es ist die Frage, wie Biermann darauf reagieren wird. Reden werde er auf jeden Fall, heißt es aus der Uni.

Auftrittsverbote und Ausbürgerung

 

Biermann war von 1955 bis 1957 an der HU im Fach Politische Ökonomie eingeschrieben. 1959 bis 1963 studierte er dort Philosophie und Mathematik. Zu dieser Zeit veröffentlichte er frühe Gedichte in DDR-Zeitungen. Als er mit Freunden 1961/62 ein altes Ostberliner Hinterhofkino zum "Berliner Arbeiter- und Studententheater" ausbaute, wurde es bereits vor der Premiere geschlossen. Ein erstes Auftrittsverbot für den Sänger und Dichter dauerte bis Juni 1963. Im selben Jahr wurde er aus der SED ausgeschlossen.

Biermanns weitere Biografie ist viel bekannter. 1976 verweigerte die DDR dem Protestsänger nach einer Tournee durch die Bundesrepublik die Wiedereinreise und bürgerte ihn aus, ein bis dahin nur aus der Nazizeit bekannter Vorgang. Biermanns Ausbürgerung löste eine große Protestwelle und einen bis dahin nicht gekannten Exodus ostdeutscher Künstler aus. Erst viel später zum Ende der DDR wurde die Ausbürgerung von der SED auch als großer kulturpolitischer Fehler eingestanden.

Ehrenbürger von Berlin

Die Philosophische Fakultät der Humboldt-Universität würdigt mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde nun Biermanns "Leistung als Künstler, Lyriker und als Philosoph und Theoretiker der Ästhetik". Durch seine Lebensleistung habe er auch erheblich dazu beigetragen, dass die Humboldt-Universität die Freiheit der Forschung und Lehre wieder in Anspruch nehmen dürfe.

An schwierige Ehrungen in Berlin ist Biermann schon gewöhnt. Nach dem anfänglichen parteipolitischen Streit um seine Ehrenbürgerschaft gab er sich im März 2007 nach der Auszeichnung milde. "Ich genieße diese Ehrenbürgerschaft erstmal arglos wie einen Kuss der Stadt Berlin in meine Seele", sagte er. Wie er an der Universität reagiert, wird spannend.

Berlin-Themen sind Biermann alles andere als gleichgültig. Schließlich plant er mit seiner Familie eine baldige Rückkehr von Hamburg in die Hauptstadt, wo er lange Jahre an der Chaussee-/ Ecke Friedrichstraße einen Steinwurf weit von der Bertolt-Brecht- Gedenkstätte und den Gräbern von Brecht und Helene Weigel sowie Anna Seghers wohnte. Später fanden dort noch andere prominente Autoren wie Heiner Müller und Stephan Hermlin ihre letzte Ruhe. (APA/dpa)