Die Feierlichkeiten zum Tag der Toten beginnen am Abend und dauern bis in die Morgenstunden.

Foto: Katja Fleischmann

Ein mit Blumen gesäumter Pfad zeigt der verstorbenen Seele den Weg zu ihrem Altar, wo die auf Erden zurückgebliebenen Angehörigen ein Glas Wasser aufstellen, damit sie ihren Durst nach der langen Reise löschen kann.

"Der Tag der Toten"- ich habe oft gehört von jenem sagenumwobenen Fest, das weit über die Grenzen Mexikos bekannt ist und konnte mir dennoch kaum ausmalen wie es sein würde dabei zu sein. Vor Beginn meiner Reise habe ich auch nicht damit gerechnet an den Tagen und Nächten des ersten und zweiten Novembers, also dann wenn die Feierlichkeiten ihren Höhepunkt erreichen, noch in Mexiko zu sein. Doch auf Reisen werden vage Zeitpläne schnell verworfen und so bin ich nach mittlerweile fünf Wochen noch immer im Lande.

Essen, Tanz und Musik zu Ehren der Toten

Besonders in den indigenen Gemeinschaften wird die Tradition des Tages der Toten hochgehalten und die Feierlichkeiten mit viel Hingabe vorbereitet. Das Zusammentreffen zwischen Lebenden und Toten ist eines der wichtigsten Feste im mexikanischen Jahreskreis und wird mit – von Gegend zu Gegend variierenden – Zeremonien und Rituellen begangen, wobei Musik, Tänze, Gebete und Kulinarik eine wichtige Rolle spielen. Ende Oktober befinde ich mich in Ciudad Valles, einer Stadt in der Region um San Luis Potosi und besuche am Abend die Eröffnung der Feiertage, die der Präsentation und Kür der schönsten Altäre gewidmet ist.

Kerzen weisen den Weg

Der Altar ist jene Stätte an der Lebende und Tote während des Festes zusammentreffen. Es werden Bilder der Verstorbenen aufgestellt und die entflammten Kerzen erhellen ihnen den Weg zum Altar, wo ihre Angehörigen verschiedenste Gaben für sie aufbereitet haben. Oft handelt es sich um die Lieblingsspeisen der Toten, die in Gemeinschaft und zu ihrem Gedenken verzehrt werden – in der Annahme, dass die Verstorbenen sich durch und in Gestalt der Lebenden an den Köstlichkeiten laben können. Und auf diese Weise wird die weiterführende Verbindung zwischen den Lebenden und Toten demonstriert.

Kerzen und Bilder zeigen den verstorbenen Seelen den richtigen Weg zum Altar. Foto: Katja Fleischmann
Foto: Katja Fleischmann

Indigene Feierlichkeiten

Ich drehe eine Runde über den Platz um die verschiedenen Altäre zu besichtigen als mich plötzlich Rocío und José Antonio ansprechen. Die beiden arbeiten für die Stadtzeitung. Sie wundern sich, dass es mich hierher verschlagen hat und bitten mich um ein kurzes Interview. Rocío und José Antonio habe ich es folglich auch zu verdanken, dass ich an den darauf folgenden Tagen die Gelegenheit bekomme, die Feierlichkeiten dort mitzuerleben, wo sie vielleicht den größten Stellenwert besitzen: in den "Comunidades indígenas".

Freitag Mitternacht gelange ich mit einer kleinen Gruppe von Menschen zum Panteón, einem Ort mit geschmückten Gräbern und einem Lichtermeer aus leuchtenden Kerzen. Auf den Gräbern befinden sich gelbe Blumen als Zeichen der Liebe und weitere Gaben wie Essen und Getränke. In einer Art Halle ist ein großer Altar aufgebaut und davor begehen mehrere Männer einen rituellen Tanz, der von wirkungsvoller Musik begleitet wird. Hiermit findet der Wechsel der "mayordomos", der Verwalter statt, die während eines ganzen Jahres mit der Pflege des Panteóns und der Organisation des Festes betraut sind.

Freude und Humor

Der Ort wirkt sehr mystisch auf mich und die Musik klingt in meinen Ohren. Rund um die Gräber tummeln sich kleinere und größere Gruppen von Menschen, die sich unterhalten und die mitgebrachten Gaben verzehren. Es ist ein Ort des Gedenkens, aber kein Ort der Stille. Den Toten wird mit Freude und Humor gedacht und der große Höhepunkt ist das Entzünden der Feuerwerkskörper, das mit Bewunderung und Beifall bestaunt wird. Es ist nach Mitternacht als wir das Fest verlassen und ich bin sicher, dass dieses noch bis tief in die Morgenstunden weitergefeiert wurde. (Katja Fleischmann)