Freiwillig in die Vereinigten Staaten zu reisen, das war in den frühen 00er Jahren so verpönt wie Techno und Plateauschuhe. Ein Praktikum in den USA? "Bist deppat?", "Zu de Wahnsinnigen foahrst?", "Da wirst sicher voll fett!", lauteten darauf die Kommentare junger Liberaler im Frühjahr 2005. Also zu einem Zeitpunkt, zu dem in Österreich noch Schwarz-Blau regierte.

Wir modernen ÖsterreicherInnen konnten es ja nicht anders wissen. Michael Moore hatte uns im Alternativ-Kino erklärt, dass alle Teenies Waffen tragen, dass George W. Bush ein Dummkopf ist und alle Unternehmen ihre MitarbeiterInnen ausbeuten. Kurz gesagt: Amerika war einfach böse, wegen des Irakkriegs, wegen George W. Bush, wegen den übergewichtigen BürgerInnen.

Viel cooler war es zur selben Zeit, nach China auf Selbstfindungsreise zu gehen. Zensur und Kommunismus? Nicht so böse wie die USA. Oder daheim bleiben, wo's immer noch am schönsten ist. Sanktionen der EU für unsere Regierung? Naja, trotzdem nicht so böse wie die Amis.

2008 ist alles anders. Barack Obama wickelt die EuropäerInnen, und mit ihnen die modernen ÖsterreicherInnen, um den Finger. Heute laufen die jungen Liberalen mit Obama-Shirts durch die Straßen, verfolgen den Wahlkampf im Internet, geben in Online-Polls sogar ihre Stimme für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten - obwohl die gar nicht zählt. Sich für die USA zu interessieren, das ist in den letzten Monaten nicht mehr nur wieder erlaubt, sondern ist schon fast wieder ein Charaktereigenschaft.

In all den Jahren, in denen die modernen ÖsterreicherInnen die US-BürgerInnen verachtet haben, haben sie uns immer verehrt. Weil wir höchstwahrscheinlich einen Pass besitzen, weil wir das bessere Bier haben, weil wir mehr als eine Sprache sprechen - all das, obwohl ihnen ihr schlechter Ruf bewusst ist. Aber das konnten wir ja nicht wissen, wir waren zu beschäftigt mit unserer anti-amerikanischen Einstellung (die es uns ja nicht erlaubte, in die USA zu reisen).

Jetzt ist der "Change" da, jetzt regieren "da drüben" wieder die Demokraten. Und im nächsten Sommer, da könnten wir vielleicht mal die Golden Gate Bridge in echt ansehen. Und der Starbucks-Barista wird dann, wenn er unseren deutschen Namen auf den Becher schreibt, mit breitem Grinsen ein Friedensangebot machen: "Are we cool now?" (Elisabeth Oberndorfer/derStandard.at, 5. November 2008)