Bild nicht mehr verfügbar.

"Es ist naiv, im Anti-dopingkampf den Faktor Macht zu leugnen"

Foto: APA/Hochmuth

Standard: Herr Wallner, Sie leiten seit 1990 das ÖOC. Was war Ihr schönster Augenblick?

Wallner: Das war 1998 in Nagano, als ich Hermann Maier, der nach seinem Sturz auch tot hätte sein können, die Goldmedaille für den Super-G überreicht habe.

Standard: Was hat sich in diesen hundert Jahren stärker verändert? Die olympische Bewegung oder das Land Österreich?

Wallner: Das Land. Kaiser Franz Joseph hat die Gründung des ÖOC ermöglicht. Im Sport hat IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch immerhin die Frauen befreit und den verlogenen Amateurismus, der ja die Reichen bevorzugte, endlich abgeschafft.

Standard: Warum rettet der Olympismus nicht die Welt und befreit die Chinesen vom Joch der KP?

Wallner: Das ist übertrieben. Aber es ist doch schön, zu sehen, welche Kraft dem Sport zugetraut wird. Vielleicht war es falsch vom IOC, Peking zu wählen, vielleicht war es richtig, weil das Tibet-Problem endlich öffentlich kritisiert wurde.

Standard: Ist der Sport eine messianische Bewegung?

Wallner: Stalin hat gefragt: Wie viele Legionen hat der Papst? Die Kraft der Christen beruht auch auf ihren Vorbildern. Im Sport brauchen wir die Helden. Aber wir dürfen die Kulturgrenzen nicht ignorieren. Eine Läuferin aus Afghanistan wäre zu Hause am Flughafen umgebracht worden, wenn sie in kurzen Hosen gelaufen wäre.

Standard: Sie planen mit Beppo Mauhart ein universales Sportmuseum in Österreich. Wozu?

Wallner: Wir wollen die Bedeutung des Skisports, des Fußballs und anderer Sportarten zeigen, diskutieren und die Jugend mit Geschichte, Helden und Kritik befassen.

Standard: Würden Sie wieder so lange mit Sanktionen warten wie nach den ÖSV-Doping-Affären von Salt Lake City und Turin?

Wallner: Ich vertraue dem Skiverband nach wie vor. Je kleiner das Land, desto wichtiger ist natürlich die Diplomatie. Es ist naiv, im Anti-dopingkampf den Faktor Macht zu leugnen. (Mit Leo Wallner sprach Johann Skocek - DER STANDARD PRINTAUSGABE 5.11. 2008)