Zur Person

Walter Koller ist ehemaliger Leiter der Klinischen Abteilung für Krankenhaushygiene am Klinischen Institut für Hygiene und medizinische Mikrobiologie der Medizinischen Universität in Wien.

Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkte zählen Methodenforschung für die angewandte medizinische Mikrobiologie, Epidemiologie der Antibiotika-Resistenz im Krankenhaus und Methoden zur Infektionserfassung im Krankenhaus. Koller ist krankenhaushygienischer Experte und Berater.

Foto: Standard/Regine Hendrich

derStandard.at: Am 15. Oktober 2008 war der erste Welt-Händewaschtag. Weltweit werden Menschen vermehrt auf die Wichtigkeit des Händewaschens aufmerksam gemacht. Wie ist es in Österreich um die Händehygiene bestellt?

Koller: Diese Idee des Welt-Händewaschtags wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lanciert und in mehreren Mitgliedsstaaten wurden bereits Händehygiene-Kampagnen initiiert. In Österreich gibt es noch keine offizielle Kampagne. Unsere Abteilung hat zwar ein Anbot gelegt aber das Budget hat für heuer nicht gereicht. Ganz abgesehen davon, besitzen wir aber in Österreich, was die Händehygiene betrifft, einen relativ guten Status.

derStandard.at: Das heißt Herr und Frau Österreicher sind sich der Bedeutung des Händewaschens durchaus bewusst?

Koller: Historisch gesehen ist die moderne Händehygiene sogar ein österreichisches Kind. Der Name Semmelweis ist damit verbunden. Dieser Arzt galt als Retter der Mütter, weil er schon vor 160 Jahren erkannt hat, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen mangelnder Händehygiene und Infektionserkrankungen bei Wöchnerinnen gibt. Nachdem er seine Studenten dazu angehalten hat, sich die Hände zu waschen, haben sich die Erkrankungs- und Todesfälle an seiner Abteilung drastisch reduziert.

derStandard.at: Wie wird dieses Wissen heute in Österreich umgesetzt?

Koller: In Krankenhäusern und anderen medizinischen Institutionen ist die Händehygiene heute fixer Bestandteil jeder Infektionsprophylaxe. Die Überlegenheit der Händedesinfektion mit Alkohol wurde an unserem Institut sehr intensiv beforscht und publiziert und dieses Wissen wird mittlerweile von der WHO auch weltweit propagiert.

derStandard.at: Was tut sich außerhalb der Krankenhäuser? Lernen die Kinder bereits, wie man sich richtig die Hände wäscht?

Koller: Eher nein. Hier sind einfache Dinge leider in Vergessenheit geraten, die früher ganz selbstverständlich waren. Ich bin zwar Krankenhaushygieniker, aber selbstverständlich ist die Händehygiene auch für die Allgemeinheit ein wichtiger Punkt, der wesentlich mehr thematisiert werden sollte. Beispielsweise muss es für Kinder, wie für Erwachsene auch, selbstverständlich sein, sich nach der Toilette und vor dem Essen die Hände zu waschen.

derStandard.at: Was passiert, wenn wir es nicht tun?

Koller: Dann werden sich weiterhin unangenehme Keime ausbreiten, vor allem Durchfallerreger aber auch Infektionserreger der Atemwege wie Grippeviren oder das Vogelgrippevirus. Ich denke auch an die lästigen Madenwürmer, die vor allem auf Grund mangelnder Händehygiene so weit verbreitet sind. Hier ist auch die Selbstinfektion problematisch, die immer wieder auftritt, wenn man nach dem Toilettengang auf das Händewaschen verzichtet.

derStandard.at: Händehygiene ist billig und effizient. Könnte man nicht auf so manche Impfkampagne verzichten, wenn ihr mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde?

Koller: Wir brauchen ein Konzert an Maßnahmen um die Bevölkerung gesund zu halten. Dazu gehören auch Impfungen. Es ist schon lange bewiesen, dass der Grund warum wir in entwickelten Ländern so gesund sind, weniger mit Medikamenten oder Operationen zu tun hat, sondern mit den banalen Errungenschaften der Hygiene. Die Impfungen pauschal zu desavouieren halte ich für ein Verbrechen an unserer Gesundheit. Beide Dinge haben ihre Berechtigung.

derStandard.at: Wie wäscht man sich richtig die Hände?

Koller: Mehrere Dinge sind entscheidend. Zuallererst das Waschbecken. Ein Ellbogenhebel ist einer Schraubenarmatur vorzuziehen. Damit lässt sich vermeiden, dass das Waschbecken mit den schmutzigen Fingern angegriffen wird. Zum Lösen des Schmutzes ist im Haushalt die Verwendung von Stückseifen üblich. Ein Flüssigseifenspender wäre besser, ist aber nicht zwingend erforderlich. Entscheidend ist eher, dass die Hände im Anschluss gut abgespült werden.

derStandard.at: Wie lange soll man waschen?

Koller: Die Dauer ist nicht so wichtig wie die Sorgfalt. Eine Waschsequenz, zu der immer auch die Fingerzwischenräume, Fingerkuppen und Daumen gehören, dauert ungefähr zehn bis 15 Sekunden. Das reicht im Normalfall bereits. Gut abspülen und dann abtrocknen. Das übliche "Hände kurz befeuchten und nach fünf Sekunden ist der Spaß vorbei" bringt wenig.

derStandard.at: Was gibt es beim Abtrocknen zu beachten?

Koller: Im Haushalt genügen Frotteehandtücher. Allerdings sollten diese nicht tage- oder gar wochenlang hängen. Es ist nicht übertrieben, wenn man Handtücher täglich wechselt. Zumindest aber darf es nicht feucht herumhängen. In einer Institution werden am besten Einmalhandtücher verwendet. Entweder gut saugfähige Papierhandtücher oder Frotteehandtücher, die nach einer Anwendung in die Wäsche kommen.

derStandard.at: In manchen Ländern wird in öffentlichen Toiletten nur noch Desinfektionsmittel anstelle von Seife angeboten. Ist das die bessere Lösung?

Koller: Besser würde ich nicht sagen. Ich glaube nur, dass es in der Regel nicht notwendig ist. Die Händedesinfektion ist im häuslichen Bereich nur dann sinnvoll, wenn jemand in der Familie einen Infektionserreger ausscheidet. Erkältungsviren sind sehr empfindlich gegen Alkohol. Hier ist die Händedesinfektion auf jeden Fall eine gute Option.

Für die überwiegende Zahl der Infektionen genügt aber das Händewaschen. Beim Norovirus zum Beispiel, ist sogar die Desinfektion alleine zu wenig, denn Noroviren werden in sehr großen Mengen ausgeschieden. Bei den Wurmeiern oder den Sporen des Clostridium difficile ist es hingegen so, dass die Erreger von einem Desinfektionsmittel gar nicht abgetötet werden. Hier ist Händewaschen die wichtigere Methode.

derStandard.at: Die meisten Österreicher wissen, dass Händewaschen Sinn macht, warum tut es trotzdem kaum jemand?

Koller: Die Non-Compliance ist in der Tat ein weit verbreitetes Dauerthema. Händewaschen muss so automatisiert passieren wie Auto fahren. Alle bisherigen Kampagnen haben immer nur kurzfristig Erfolge gezeigt. (Regina Philipp, derStandard.at, 5.11.2008)