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Protest, der Wirkung zeigt. Berlusconi hat die Uni-Reform zumindest verschoben.

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Vorlesungen auf der Straße - dieser Tage kein ungewöhnliches Bild in Italien.

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Obwohl das Studienjahr schon längst begonnen hat, ist an den italienischen Unis heuer noch nicht der Alltag eingekehrt. Studentenproteste, Demonstrationen, Fakultätsbesetzungen und Vorlesungen im öffentlichen Raum haben die italienischen Städte in den letzten Wochen geprägt. "Ich habe so etwas bisher noch nicht erlebt", erzählt die Österreicherin Teresa Sengschmid, die derzeit in Rom studiert. 

Parallelen zwischen Gehrer und Gelmini

Protestiert wird gegen die Reformpläne im Bildungsbereich von Ministerpräsident Berlusconi und Bildungsministerin Mariastella Gelmini. "Sie ist die italienische Version von Elisabeth Gehrer, da gibt es einige Parallelen zwischen den beiden. Gelminis Kompetenz wird von der italienischen Bevölkerung angezweifelt", so die Erasmus-Studentin.

Physikvorlesung im Kolosseum

Die italienischen Studierenden sind kreativ, was ihre Formen des Protests angeht. Neben gewöhnlichen Demonstrationen und Sit-ins finden viele Vorlesungen im Freien statt. "Jetzt ist es möglich, das Kolosseum zu besuchen und nebenbei einer Physikvorlesung zu lauschen - eine Methode, um medienwirksam zu sein", sagt die Wirtschaftsstudentin. Zusätzlich werden an den Unis dieser Tage auch sogenannte "Pranzi Sociali" (soziale Jausen) veranstaltet. "Gestern haben die Studierenden Kaffee und Kuchen verkauft. Ganz versteh ich den Sinn und Zweck davon noch nicht, aber es wird als Gelegenheit genutzt, um über die Ereignisse zu diskutieren", vermutet Teresa Sengschmid. Um immer auf dem letzten Stand der Dinge zu sein, gibt es an der Uni in Rom einen Stiegenaufgang, an dem Studierende alle Zeitungsberichte zum Thema aufhängen. "Mittlerweile sind sie schon beim Ende der Stiege angelangt."

"Diktatur mit Ungebildeten"

Im Gegensatz zu anderen Fakultäten geht es an der Wirtschaftsfakultät vergleichsweise ruhig zu. "Die feierliche Eröffnung des akademischen Jahres wurde anscheinend von aufgebrachten Studenten unterbrochen. Ansonsten ist bei uns nur ein ziemlich kleiner Hörsaal besetzt", schildert die Studentin ihre Eindrücke. Sie selbst hat zwar nicht demonstriert, aber an Versammlungen aller Studierenden, Professoren und Assistenten teilgenommen: "Die Botschaft dort war: Kommt die Reform, dann wird Italien in wenigen Jahren eine Diktatur mit Ungebildeten sein."

"In den Vorlesungen wird jetzt natürlich auch auf die politische Situation eingegangen. In meiner Volkswirtschaft-Vorlesung wurde zum Beispiel über Bildungs-Ausgaben des Staates diskutiert", erzählt sie. Diese seien tendenziell immer niedrig gewesen. Wird die neue Uni-Reform tatsächlich umgesetzt, bedeutet das eine Erhöhung der Studiengebühren. Außerdem soll nur mehr jede fünfte Professorenstelle nachbesetzt werden, Universitäten sollen in private Stiftungen umgewandelt werden können.

Gegenstimmen

Der Großteil der Studierenden wehrt sich gegen die geplanten Einsparungen, berichtet die Studentin: "Da und dort gibt es aber auch Studenten und Mitglieder der Forza Italia, die an den Unis Zettel verteilen, in denen erklärt wird, warum die neue Reform gut ist." Ihren vorläufigen Höhepunkt hatten die Proteste letzten Donnerstag, als Studierende, LehrerInnen und SchülerInnen gemeinsam auf die Straße gingen. Die Innenstadt von Rom wurde blockiert, der Verkehr kam zum Erliegen."Mittlerweile ist es wieder ein bisschen ruhiger geworden, obwohl da und dort immer noch Gebäude besetzt werden", erzählt die Österreicherin. "Wenn aber nichts passiert, wird es früher oder später sicher wieder zu größeren Protesten kommen."

Erster Etappensieg

Einen ersten Etappensieg gibt es jetzt schon. Die Proteste scheinen Wirkung gezeigt zu haben, denn Premierminister Berlusconi hat einen Rückzieher gemacht und wird nun die Uni-Reform doch nicht, wie geplant, ab 2009 umsetzen. Das umstrittene Dekret "Legge 133" soll nun nicht gleich verabschiedet, sondern in einem Gesetzespaket verankert werden, das dem Parlament in den nächsten Tagen präsentiert werden soll. (Teresa Eder/derStandard.at, 4.11.2008)