Fulda - Die hessische SPD hat den Weg zur Bildung einer von den Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen frei gemacht. Auf einem Landesparteitag in Fulda stimmte am Samstag eine Mehrheit von gut 95 Prozent der Delegierten für den vor gut einer Woche vorgestellten rot-grünen Koalitionsvertrag.

Allerdings stellte sich Parteivize Jürgen Walter gegen das Abkommen. Landeschefin Andrea Ypsilanti ist bei der für Dienstag geplanten Wahl zur Ministerpräsidentin aber auf seine Stimme angewiesen. Walter äußerte sich nicht konkret, wie er sich dann verhalten wird. Ypsilanti zeigte sich jedoch überzeugt, dass er sie wählen werde.

An der Abstimmung über den Koalitionsvertrag nahm Walter nicht teil. Gegen das Abkommen stimmten acht Delegierte, zudem gab es acht Enthaltungen. Walter hatte allerdings in der Aussprache angekündigt, dass er gegen den Vertrag stimmen werde. Er werde das Abkommen auch nicht unterschreiben. Walter hatte den Vertrag selbst mit ausgehandelt. Auf dem Parteitag kritisierte er unter anderem die Beschlüsse zum Ausbau des Frankfurter Flughafens. Er bemängelte, dass der Vertrag nicht die Grundlage für neue Arbeitsplätze sei, sondern Arbeitsplätze gefährde. In seiner Rede und auch nicht am Rande des Parteitags wollte er sich zu seinem Abstimmungsverhalten am Dienstag nicht konkret äußern.

Ypsilanti rechnet nach eigenen Worten aber mit seiner Unterstützung. Er habe ihr bestätigt, dass er sie wähle, sagte die Parteichefin. Das rot-grün-rote Lager verfügt bei der geheimen Wahl der Regierungschefin nur über eine Mehrheit von einer Stimme, weil die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger die Zusammenarbeit mit den Linken ablehnt. Sie kündigte in Fulda an, dass sie am Dienstag mit Nein stimmen werde. Sie halte den eingeschlagenen Kurs nach wie vor für falsch. An ihrem Widerstand war im März ein erster Anlauf für ein Linksbündnis gescheitert. Bei der geheimen Wahl am Dienstag reicht damit ein Abweichler, um Ypsilanti scheitern zu lassen. Für Montagabend ist eine Probeabstimmung in der SPD-Fraktion geplant.

Ypsilanti verteidigte auf dem Parteitag den Koalitionsvertrag. Das Abkommen sei eine "gute und solide Grundlage", um Hessen wirtschaftlich, sozial und ökologisch zu erneuern, sagte die SPD-Chefin. Ein Koalitionsvertrag sei kein Wunschkonzert, das Abkommen sei aber von praktischer Vernunft geprägt. Die Vereinbarung mute der SPD keine schmerzlichen Abstriche zu.

Sie verteidigte auch den besonders umstrittenen Beschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens, der vom Flughafenbetreiber Fraport und aus der Wirtschaft wegen möglicher Verzögerungen bei der Erweiterung scharf kritisiert worden war. Die SPD-Chefin versicherte, der Koalitionsvertrag gefährde den Ausbau nicht. Es müsse sich auch niemand um Arbeitsplätze sorgen.

Ypsilanti bedauerte zudem erneut, dass Walter einer Minderheitsregierung nicht angehören wird. Sie hätte sich gewünscht, dass er der Regierung angehöre. Dem Parteivize war zuletzt das Ressort für Verkehr und Europa angeboten worden. Walter habe aber für sich entschieden, dass der Zuschnitt des Ministeriums nicht seinen Vorstellungen entspreche, sagte Ypsilanti. Sie respektiere das.

Nach der SPD soll am Sonntag die Parteibasis der Grünen auf einer Landesmitgliederversammlung das Abkommen absegnen. Auch dort wird eine klare Zustimmung erwartet. Die hessischen Linken hatten sich in einem Mitgliederentscheid mit großer Mehrheit für eine Unterstützung von Rot-Grün ausgesprochen. Am Sonntag will sich der Linken-Landesvorstand noch einmal abschließend mit dem Koalitionsvertrag befassen. Es gilt aber als sicher, dass die sechs Linken-Abgeordneten am Dienstag Ypsilanti wählen werden. (APA)