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"Big-Brother-Awards" 2008 kritisieren die beiden Internet-Anbieter UPC und Telekom Austria

 

Die Telekom Austria, die Sicherheitssprecher von ÖVP und SPÖ oder die Post, sie alle haben am Samstagabend im Wiener Rabenhof Theater den "Big-Brother-Award" bekommen. Mit diesem Preis werden Personen, Behörden, Institutionen und Unternehmen bedacht, die sich in "Big-Brother"-Manier wenig rühmlich mit persönlichen Daten beschäftigen. Veranstaltet wurde der Datenschutz-Event von quintessenz, VIBE!AT und LUGA (Linux User Group Austria).

Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes

Die "Big-Brother-Awards"- Jury zeichnete in der Kategorie "Politik" Günter Kößl und Rudolf Parnigoni aus. Die Sicherheitssprecher von ÖVP und SPÖ "schleusten die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes durch den Nationalrat", die es der Polizei erlaubt, IP-Adressen und Handystandortdaten ohne richterliche Kontrolle abzufragen. Seitdem sind die Abfragen der Behörden bei Internet-Providern und Telekoms "exponentiell gestiegen". In den ersten fünf Wochen 2008 wurden die Standorte von 82 Handynutzern lokalisiert und 2.766 Anschlussinhaber ausgeforscht, 32 Anfragen sind es täglich.

Kritik

Ein "vier Jahre währenden Versuch, einen Kritiker mundtot zu machen" hat Bruno Wallnöfer, seines Zeichens Chef des Tiroler Energieversorgers TIWAG, einen "Big-Brother-Award" beschert. Begründung: Der Publizist Markus Wilhelm berichtet im Netz über Aktivitäten der TIWAG "in unverbauten Alpentälern, Vetternwirtschaft und die dubiosen Cross-Border-Leasing-Verträge von TIWAG-Kraftwerken". Erst versuchte die Tiwag die verwendte Domain auszuschalten, dann wurde "Wilhelm für seine Veröffentlichung mit Klagen eingedeckt". Ergänzend "kam heraus, dass der Energieversorger den Kritiker Wilhelm "auch ein Detektivbüro auf den Hals gehetzt hat. Über 1000 Stunden ließ die TIWAG gegen Wilhelm ermitteln."

UPC heimste Preis ein

Auch UPC/Chello heimste eine Negativ-Auszeichung ein. Der Grund: ein neues Services. Das von UPC verwendete System der US-Firma Nominum fängt Tippfehler bei der Adresseingabe im Browser ab und leitet sie an den kommerziellen Werbe- und Suchdienst InfoSpace weiter. Das passiert "ungefragt für alle, ausser man meldet sich aktiv davon ab", so die Verleiher.

Einen Preis handelte sich auch die Post ein. Da sie "persönliche Daten ihrer Kunden weiterverkauft".

"Gerne auch anonym"

Auch Daniela Strassl, Direktorin von Wiener Wohnen, wurde mit einem "Preis" bedacht. Wiener Wohnen wollte wissen, was die Gemeindebaumieter so über ihre Wohnung, Hausanlage, Nachbarn, Umgebung, Sicherheitssituation, Hausverwaltung und die Stadt Wien denken. 220.000 Fragebögen wurden ausgesandt, die ganz oben mit persönlicher Anrede [Nachname] versehen waren. Ganz unten trugen auf Seite zwei sie den Hinweis, dass dieser Fragebogen "gerne auch anonym" eingesandt werden könnte.

Allerdings war der Fragebogen auch mit einem Barcode versehen. Mit einem Lesegerät konnte festgestellt werden, dass der Strichcode die volle "Wiener Wohnen" Kundennummer des Mieters enthielt.

Das Publikum und die Pornodaten-Weitergabe

Die Publikumswahl gewann die Telekom Austria. Und zwar für die Weitergabe von Kundendaten an die Pornoindustrie. Die Daten wurden von der Vorarlberger Kanzlei Längle Fussenegger Singer genutzt, um mutmaßliche Downloader von Pornofilmen abzumahnen. Die Nutzer werden in einem Schreiben aufgefordert pro Datei 790 Euro und mehr binnen weniger Tage zur Einzahlung zu bringen. Nach Protesten hat die Telekom die Weitergabe der Daten eingestellt – der WebStandard berichtete.

Meryem Marzouki

Von den Veranstaltern wurde Meryem Marzouki gewürdigt. Die Präsidentin von IRIS (Bewegung für ein solidarisches Internet), trat gegen die Superdatenbank des französischen Inlandsgeheimdienstes auf und durchkreuzte Pläne von Nicolas Sarkozy. (red)