Paarlauf: Clémentine Beaugrand und Gérald Thomassin.

F.: Viennale

Über das Kino von Jacques Doillon schreibt die deutsche Filmwissenschafterin Anja Streiter, es sei "ein Kino der Balladeure, der Flaneure, derer, die gemeinsam aufbrechen mit leichtem Gepäck". An diese Beschreibung fühlt man sich erinnert, wenn in Le premier venu eine junge Frau in einer kleinen Pension eincheckt, mit kaum mehr als einer Zahnbürste. Camille (Clémentine Beaugrand) ist Costa (Gérald Thomassin)nachgereist, den sie erst kennengelernt hat und der sie eigentlich zurückweist. Im Zimmer unterm Dach wird sie eine Zeit lang bleiben - es ist einer der Angelpunkte in dem kleinen Beziehungsstück, das Doillon auslegt.

Le premier venu ist der jüngste Spielfilm des französischen Filmemachers, dessen prägnante, konsequente Arbeit (am Kino, mit dem Schauspiel) hierzulande nur wenig bekannt ist. Er ist zum einen sehr konkret: angesiedelt an einem kleinen Ort an der Küste, gespielt unter anderem vom famosen Thomassin, den Doillon 1990 erstmals als "kleinen Gangster" fürs Kino entdeckte. Sein kantiges Gesicht, sein nervöser, breitbeiniger Gang, seine ganze leicht bockige Körperhaltung oder seine Windjacke und die Trainingshose, in denen er durch den Film stapft wie ein trotziges Stehaufmännchen, sind für Le premier venu mindestens genau so bedeutsam wie der Diskurs über die Liebe und ihre Möglichkeiten, der hier geführt wird.

Denn zugleich ist Le premier venu auch ein ganz und gar geschriebener Film: Er scheint zu vermitteln, welches Vergnügen es dem Autor Doillon bereitet, die erzählerische Schraube immer noch ein Stück weiter anzuziehen, bis das ganze Ding eigentlich hoffnungslos feststecken oder zu Bruch gehen müsste - um dann ein ebenso überraschendes wie lapidares Ende und ein noch schöneres Schlussbild zu finden. (Isabella Reicher, SPEZIAL - DER STANDARD/Printausgabe, 25./26.10.2008)