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George W. Bush bei seiner Angelobung 2001 ...

Foto: EPA PHOTO AFP/TIM CLARY/jf/myd

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als ihn die Nachricht von den 9/11-Anschlägen erreicht ...

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mit Vizepräsident Dick Cheney ...

Foto:REUTERS/Jason Reed (UNITED STATES)

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und als Pilot vor seiner „Mission accomplished"-Rede 2003.

Foto:AP Photo/Denis Poroy, File

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Bush bei der Verabschiedung seines Spindoctors Karl Rove ...

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mit dem Irak-Oberkommandierenden David Petraeus ...

Foto:REUTERS/Jason Reed (IRAQ)

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und vergangene Woche mit Nicolas Sarkozy in Camp David.

Foto:REUTERS/Jason Reed (UNITED STATES)

Die Ära George W. Bush: 2000-2008

DER STANDARD

Das Budget ist aus dem Ruder gelaufen, die Army steckt im Irak fest, und das US-Renommee in der Welt ist so schlecht wie nie.

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George W. Bush steht daneben. Grau, zerfurcht, so als ob ihn das Ganze gar nichts mehr anginge. Nicolas Sarkozy dagegen sprüht vor Energie und Selbstvertrauen. Der französische Präsident übernimmt das Ruder in Camp David, gestikuliert, will die Finanzkrise quasi im Alleingang lösen. Sein amerikanischer Kollege erfüllt seine Pflicht.
Die Bilder der Pressekonferenz vor wenigen Tagen auf dem Landsitz des Präsidenten sind die optische Übersetzung für den Begriff „lahme Ente". Damit werden US-Präsidenten eigentlich zwischen einer Wahl im November und ihrem Ausscheiden aus dem Amt im Jänner bedacht. Bush dagegen muss sich schon vor der Zeit so titulieren lassen, kaum einer seiner 42 Vorgänger hat so viel Autorität in seinem Amt eingebüßt.

Miserable Zustimmungsraten

Nach acht Jahren im Weißen Haus sind die Zustimmungsraten des Texaners unter den amerikanischen Bürgern miserabel. In den Präsidentschaftsrankings, die der 2007 verstorbene Historiker Arthur M. Schlesinger lange erstellte, kommt George W. Bush zwar noch nicht vor, dafür haben ihm 109 amerikanische Historiker in einer Umfrage der George Mason University im April ein katastrophales Zeugnis ausgestellt: 98 Prozent nennen seine Präsidentschaft einen Misserfolg, 61 Prozent halten ihn für den „schlechtesten Präsidenten aller Zeiten" - noch hinter den üblichen Schlusslichtern, dem skandalumwitterten Warren G. Harding und James Buchanan, der den Ausbruch des Sezessionskrieges nicht verhinderte und als übler Schluckspecht galt.
Mit dem Alkohol hatte der nach wilden Jahren fromm gewordene Abstinenzler Bush nicht mehr zu kämpfen, als er sich 1999 aus dem texanischen Gouverneursamt um die republikanische Präsidentschaftskandidatur bewarb. Konkurrent John McCain räumte er damals rüde aus dem Weg. Karl Rove, sein langjähriger Weggefährte und von vielen „Bush's Brain" gerufen, zeichnete ihn dann im Wahlkampf des Jahres 2000 als „mitfühlenden Konservativen".

Rove, den Bush selbst „turd blossom" (Mistblume) nennt, weil jener imstande ist, noch aus jedem Dreckhaufen die schönsten Blüten treiben zu lassen, gewann die Wahl für Bush im Bundesstaat Florida mit 537 Stimmen Vorsprung. Zuvor mussten scharfe Augen tausende Lochwahlkarten überprüfen. Al Gore, der schließlich aufgab, hatte auf nationaler Ebene eine halbe Million Stimmen mehr erreicht als George W. Bush, der 43. Präsident der Vereinigten Staaten.

Unrechtmäßiger Präsident

Aus Protest entfernten die scheidenden Clinton-Parteigänger bei ihrem Auszug den Buchstaben „W" von allen Tastaturen im Weißen Haus. Sie sahen den Republikaner wie viele Amerikaner als einen unrechtmäßigen Präsidenten an. Auch Bushs Aktionen in seinen ersten 100 Tagen im Weißen Haus - Tornado-Bomber über dem Irak oder eine harte Abtreibungsdebatte, die den „Wertewahlkampf" von 2000 fortsetzte, ließen an seinen Fähigkeiten als Staatsmann zweifeln.

Dann 9/11. Die Nation stellt sich hinter den Präsidenten, die Welt hinter die Amerikaner. Die Nato ruft erstmals den Beistandsfall aus. Die feigen Terroristen, die 3000 Menschen umgebracht haben, sollen zur Verantwortung gezogen werden. Das Talibanregime wird gestürzt, Osama bin Laden bis in die hintersten Winkel Waziristans gejagt (siehe Grafik auf Seite 3). Bush ist respektiert, hat das unanzweifelbare Format des Oberbefehlshabers in schweren Zeiten gewonnen. Seine Beliebtheit erreicht ungeahnte Höhen.

"Bush at War"

Hinter den Kulissen arbeiten die Neokonservativen unter Bushs Leuten allerdings schon am Sündenfall dieser Regierung: In „Bush at War" schreibt der Watergate-Aufdecker Bob Woodward, in den Tagen nach dem 11. September 2001 hätten Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sein Stellvertreter Paul Wolfowitz und Vizepräsident Dick Cheney auf Angriff und Regimewechsel im Irak gedrängt. Bush aber wollte sich zuerst auf Afghanistan konzentrieren.
Wenige Monate später, in seiner „State of the Union"-Rede 2002 wird er von der „Axis of Evil" sprechen, der Achse des Bösen: Irak, Iran und Nordkorea. Ab da ist die Marschrichtung klar. Die CIA beginnt zweifelhaftes Material über irakische Massenvernichtungswaffen zu Beweisen aufzufrisieren, die UNO wird unter Druck gesetzt. Die Invasion ist nur noch eine Frage der Zeit. Am 20. März schlagen die US-Streitkräfte los, am 1. Mai meldet der Präsident öffentlichkeitswirksam auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln „Mission accomplished". Dabei erfüllt sich zu diesem Zeitpunkt in der Tat die Gewissheit einer katastrophalen Präsidentschaft.

Nach und nach läuft im Irak alles schief. Der Krieg bindet Ressourcen, macht die Amerikaner blind für alles andere: Guantánamo wird eingerichtet, CIA-Gefängnisse in Europa werden aufgesperrt. Die Verteidigungsausgaben schnellen in die Höhe, das Budget gerät völlig aus dem Ruder (s. Grafik unten). Bush erlässt den Reichen gleichzeitig einen Gutteil ihrer Steuern. Eine Niedrigzinspolitik sorgt für einen Strohfeuerboom, der direkt in die Immobilienblase und Finanzkrise dieser Tage mündet. Der Hurrikan „Katrina" bricht über Louisiana herein, ohne dass die Behörden irgendwie dafür gerüstet gewesen wären.

Wiedergewählt wird Bush 2004 dennoch, die Amerikaner wollen sich noch einmal hinter ihn stellen. Dass er ab Mitte seiner zweiten Amtszeit langsam seine Politik zu ändern beginnt - US-Diplomaten setzen sich an einen Tisch mit Iranern! -, fällt einer breiteren Öffentlichkeit nicht weiter auf. Aus dem Ideologen ist nach blutigen Lehren so etwas wie ein Pragmatiker geworden, auch wenn er niemals zugeben würde, dass die Irakkriegsentscheidung falsch war. Aber selbst das könnte sein Renommee nun nicht mehr ändern. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2008)