Hohe Sprünge mit Strom: 500 Newtonmeter Drehmoment bringt die Elektro-Enduro von KTM auf die Hinterachse.

Foto: KTM

Das typische Motorengeknatter und der Abgasgestank bei Enduro-Rennen könnten bald Vergangenheit sein: Der oberösterreichische Motorradhersteller KTM und die auf Mobilität und Energie spezialisierte Forschungsinstitution Arsenal Research haben gemeinsam ein "Zero Emission Motorcycle" entwickelt - eine Enduro, die dank eines Elektroantriebs keinerlei CO2 ausstößt und zudem kaum zu hören ist.

Der Prototyp wurde vergangenen Montag in Wien vorgestellt. Dieser hat weder Tank, noch Auspuff, noch Kupplung, nicht einmal ein Getriebe - sieht aber sonst wie ein herkömmliches geländegängiges Motorrad aus.

In Europa sei es wegen strenger Lärm- und Abgasvorschriften kaum mehr möglich, mit einer Enduro im freien Gelände zu fahren, meint Harald Plöckinger, Vorstandsmitglied der KTM Power Sports AG. Das sei ein Grund, warum man sich um einen vollwertigen Ersatz für die herkömmliche Motorisierung bemühe. Man wolle aber auch in Zukunft auf diesem Alternativantrieb-Gebiet ein Wörtchen mitreden, meint Plöckinger weiter. Schließlich machen Enduros rund ein Drittel des Absatzes des Herstellers aus. Bei der Konstruktion setzt KTM auf den konventionellen Motorradbau. Völlig neu ist hingegen die Antriebstechnik.

Weil ein Hybridantrieb - eine Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor, wie er bereits bei Autos eingesetzt wird - aus Gewichtsgründen nicht infrage kommt, musste es ein reiner Elektroantrieb sein. Für dessen Entwicklung wandte man sich an die Forscher bei Arsenal Research.

"Im Idealfall kommt der Kunde mit einem genauen Anforderungsprofil zu uns, auf dessen Basis wir eine Gesamtfahrzeugsimulation durchführen", sagt Franz Pirker, Geschäftsfeldleiter Monitoring, Energie- und Antriebstechnik bei Arsenal Research. Hohe Performance, größtmögliche Reichweite gehörten unter anderem zu den Anforderungen für die E-Enduro.

1200 Stunden Fahrzeit

"Die größte Herausforderung war, eine sehr hohe Antriebsleistung mit geringstem Gewicht und auf kleinstem Bauraum zu erzielen, ohne den Antrieb zu überhitzen", schildert Pirker.

Die Entwicklung und Auslegung erfolgte am Computer. Mit einem Fahrzeug mit GPS-System wurden vorab verschiedene Streckenprofile abgefahren. Auf Basis dieser Daten wurde die Fahrzeugsimulation durchgeführt. "So konnten wir mit dem virtuellen Motorrad 1200 Stunden Fahrzeit in einer Simulationszeit von 25 Stunden absolvieren und unterschiedliche Varianten austesten", erklärt Pirker.

Es wurden unterschiedliche Motor- und Batteriegrößen evaluiert, um die optimale Konfiguration für den Antriebsstrang, das Energiemanagement und die Bremskraftrückgewinnung zu finden. Schließlich wurden Einzelkomponenten angefertigt, in Tests optimiert und in einen Prototyp verarbeitet. Möglich war der Bau des "Zero Emission Motorcycle" auch durch die Fortschritte auf dem Gebiet der Akku-Entwicklung. Diese wurden in den letzten Jahren kleiner und leistungsfähiger.

Im Prototyp steckt ein abnehmbarer Lithium-Ionen-Energiespeicher, der dort sitzt, wo sich normalerweise der Tank befindet. Er wiegt 17 Kilogramm - Gesamtgewicht des Motorrads: 90 Kilogramm - und soll rund tausendmal aufgeladen werden können. Ein Ladevorgang soll nur eine Stunde dauern. Bei sportlicher Fahrweise hält er angeblich 40 Minuten durch, bei ökonomischer Fahrweise entsprechend länger. Die Motorleistung beträgt 7,5 Kilowatt (etwas mehr als zehn PS) und kann kurzfristig auf 25 Kilowatt überlastet werden.

Im Gegensatz zum Verbrennungsmotor liefert der E-Motor sofort ein hohes Drehmoment. In diesem Fall sind es immense 500 Newtonmeter, die über ein untersetztes Getriebe auf der Hinterachse zur Verfügung stehen.

"Die Fahrleistungen liegen im Bereich einer kleinen Enduro mit Benzinmotor", sagt Plöckinger. 2010 will man mit der Elektro-Enduro auf den Markt.

Gefördert wurde das Projekt im Rahmen des Programms A3 (Austrian Advanced Automotive Technology) des Infrastrukturministeriums. (Markus Böhm, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. Oktober 2008)