Foto: Markus Peherstorfer

Umweltaktivistin Ulrike Röhr will mehr Frauenperspektiven in die Klimaschutzpolitik bringen.

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Salzburg – Frauen fahren weniger mit dem Auto als Männer; wenn sie fahren, dann verbrauchen sie dabei weniger Treibstoff; sie essen weniger Fleisch und dafür mehr Obst und Gemüse. Ihr "ökologischer Fußabdruck" ist kleiner als der der Männer, und zwar quer durch alle Alters- und Einkommensgruppen. Für die Berliner Umweltaktivistin, Bauingenieurin und Soziologin Ulrike Röhr ist das ein starkes Argument, Genderaspekte mehr in die Klimapolitik einfließen zu lassen.

"Will die Männer nicht brandmarken"

Es gehe keinesfalls darum, Frauen als die besseren Menschen hinzustellen, sagte Röhr am Samstag bei einer Tagung zum Thema "Klima verändert FRAUEN verändern Klima" in Salzburg: "Ich will die Männer nicht brandmarken, sondern Gründe für die Unterschiede analysieren und verändern." Und diese Gründe lägen nicht im biologischen Geschlecht, sondern in unterschiedlichen Rollenzuweisungen an Männer und Frauen.

Männer verbrauchen ein Fünftel mehr

Untersuchung etwa in Schweden hätten ergeben, dass ein durchschnittlicher Mann jeden Tag etwa um ein Fünftel mehr Energie verbraucht als eine durchschnittliche Frau (beide in Einpersonenhaushalten). Analysiert man den Verwendungszweck der Energie, ergibt sich der Unterschied fast ausschließlich aus dem Verbrauch für die Mobilität, der bei den Männern um mehr als die Hälfte höher liegt.

Gründe: Arbeit und Rollenverhalten

Ein Grund dafür sei die unterschiedlichen Erwerbssituation, sagt Röhr: Männer seien mehr außer Haus tätig und müssten schon beruflich längere Wege zurücklegen. Dazu kämen aber auch noch erlernte Rollenbilder, die dazu führen, dass Männer auch in der Freizeit mehr unterwegs sind – und zwar öfter mit dem Auto als mit Öffis, und dann meist mit weniger sparsamen Autos als Frauen.

Frauen im Süden stärker betroffen

Gleichzeitig aber seien Frauen auch stärker als Männer von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. In den meisten Gesellschaften der Welt seien Frauen hauptverantwortlich für Haushalt und Versorgungsarbeit. In den Ländern des Südens seien sie es, die schon heute lange Wege in Kauf nehmen müssten, um Trinkwasser zu holen und Brennholz zu sammeln: "Verändert sich durch den Klimawandel die Verfügbarkeit dieser Ressourcen, bedeutet dies Mehrarbeit und gesundheitliche Belastungen", sagt Röhr.

Hitzetote öfter weiblich

Auch die direkten gesundheitlichen Folgen des Klimawandels seien bei Frauen und Männern unterschiedlich zu bewerten: So zeige sich in Umfragen ganz klar, dass Frauen unter stärkerer Hitze mehr leiden als Männer, erläutert Röhr. Während der Hitzewelle in Westeuropa 2003 etwa seien quer durch alle Altersgruppen mehr weibliche als männliche Todesopfer zu beklagen gewesen. In vielen Entwicklungsländern wiederum sei durch Klimaveränderungen die Malaria im Vormarsch, von der Schwangere weit stärker bedroht sind als alle anderen Bevölkerungsgruppen.

Frauen für nachhaltige Änderungen

Auch in der Wahrnehmung des Klimawandels gebe es Umfragen zufolge deutliche Geschlechterunterschiede, sagt Röhr: Frauen seien stärker als Männer von der Gefährlichkeit der Entwicklung überzeugt. Während Männer in stärkerem Maße technischen Lösungen zugeneigt seien, stünden für Frauen Lebensstiländerungen und nachhaltige Einsparungen im Energieverbrauch im Vordergrund.

Umweltpolitik bleibt männlich

Die Konsequenz für Röhr: Die Perspektive der Frauen müsse in der internationalen Klimapolitik mehr Gehör finden. Bisher sei das kaum bis gar nicht geschehen: "Es geht immer das Gerücht, dass in Kyoto irgendwas zu Gender gelaufen ist, aber niemand hat je die Unterlagen dazu gesehen." Mit ein Grund dafür sei, dass der Frauenanteil an den Delegierten bei internationalen Klimakonferenzen unter 30 Prozent liege; bei den VerhandlungsführerInnen (in der Regel sind das die UmweltministerInnen der einzelnen Staaten) liege der Frauenanteil unter 15 Prozent.

Kein Geld, keine Forschung, keine Daten

Ein Problem, das sie bei ihrer Lobbying-Arbeit auf den großen Klimaschutztreffen immer wieder habe, sei die schlechte Datenlage. Ohne Zahlen werde man da kaum ernstgenommen – Geld für Forschung gebe es aber auch keines. Röhr will trotzdem dranbleiben: "Ich sehe einfach keine Alternative." (Markus Peherstorfer, dieStandard.at, 20. Oktober 2008)