Roswitha Stadlober leitet KA:DA.

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Christiane Mitterwallner beendete ihre Karriere mit 28 Jahren.

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Markus Hiden spielt derzeit bei Leoben.

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Bernhard Kohl wurde bei der Tour de France Dritter und eroberte das Bergtrikot.

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Matthias Lanzinger wird für den ORF Skirennen analysieren.

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"Da muss doch wer da sein, der sich um uns kümmert", meinte ein ehemaliger Spitzensportler, der in der harten Realität namens Arbeitsmarkt gelandet ist. Keine Ausbildung, keine Qualifikationen und mit 35 Jahren noch kein einziges Bewerbungsschreiben verfasst. Solche Biografien sind im Spitzensport keine Seltenheit. Ein Weltcupsieg oder ein Einsatz im Nationalteam wird potenzielle Arbeitgeber wohl kaum überzeugen. Um ehemalige Sportler ins Berufsleben zu integrieren, wurde im Frühjahr 2006 KA:DA (Karriere Danach) gegründet. "Vom Spitzensport zum Spitzenjob" lautet das Motto der Initiative, die sich als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Sport sieht.

Fünf Prozent haben ausgesorgt

Während ein Hermann Maier oder Ivica Vastic nach ihrem Karriereende zumindest in kein finanzielles Loch fallen werden, trifft dies auf viele Leistungssportler nicht zu. Nur fünf Prozent der österreichischen Spitzenathleten haben ausgesorgt, 95 Prozent bleibt die Jobsuche nicht erspart. "Das Karriereende kann zur Lebenskrise werden", sagt Roswitha Stadlober, ehemalige Skirennläuferin und jetzt gemeinsam mit Christine Seemann Projektleiterin von KA:DA. Gedanken an das Leben nach dem Sport werden meist verdrängt. Mit verheerenden Folgen, denn nur die wenigsten können mit ihren Qualifikationen am Arbeitsmarkt reüssieren. "Bei den meisten Sportlern liegt der Lehrberuf mindestens zehn oder 15 Jahre zurück", so Stadlober.

149 Teilnehmer aus 30 Sportarten

KA:DA knüpft Kontakte zu Unternehmen, bietet Kurse oder hilft bei der Erstellung von Lebensläufen. Bis jetzt haben 149 Teilnehmer aus 30 verschiedenen Sportarten Hilfe in Anspruch genommen. 93 davon haben mittlerweile einen Job, berichtet Stadlober stolz. "Wenn jemand vermittelt wird, ist das für mich so schön wie einer meiner Weltcupsiege", sagt die 45-Jährige, die unter dem Namen Roswitha Steiner acht Mal im Weltcup triumphiert hatte. Eine WM-Silbermedaille und zwei Kristallkugeln für den Slalom-Weltcup darf sie auch ihr Eigen nennen.

Die meisten Hilfesuchenden kommen aus dem Fußball, viele auch vom Österreichischen Skiverband, erläutert Stadlober und möchte die Kooperation der Sportverbände mit KA:DA forcieren. Sportler sollten mit den Aktivitäten der Initiative schon während ihrer aktiven Zeit konfrontiert werden, wünscht sie sich schon früher Maßnahmen gegen Zukunftsängste: "Athleten können Höchstleistungen nur aus einem sicheren Umfeld heraus erbringen."

Aktive könnten in einen Fonds einzahlen

KA:DA ist Teil der österreichischen Sportförderung und wird vom AMS finanziert. Die Initiatoren fordern eine gesetzliche Verankerung der Einrichtung und eine Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen. Weiters soll ein großer Pool an Firmen, die ehemaligen Sportlern eine Chance geben, aufgebaut werden. In Bezug auf die Finanzierung kann sich Stadlober auch vorstellen, einen Fonds zu installieren, wo aktive Sportler einen "Promillesatz" ihrer lukrierten Gelder einzahlen.

Wichtiges Signal

"Prävention statt Intervention" müsse das Credo lauten, sagt Wolfgang Mayrhofer von der WU Wien. Er hat KA:DA einer ersten Evaluierung unterzogen. Dabei wurde evident, dass sich Sportler schon während ihrer Karriere eine Ausbildung oder Berufsorientierung wünschen, berichtet Mayrhofer, der als Segler selbst bei Olympia war. Viele Athleten würden einfach verdrängen, dass es auch "eine Zeit danach" gibt. Für Mayrhofer ist KA:DA ein wichtiges "gesellschaftliches Signal" an Nachwuchssportler und ihre Eltern. Nach dem Karriereende gibt es so etwas wie ein Auffangbecken. An Unternehmen appelliert er, "ganzheitliches" Sponsoring zu betreiben: "Nicht nur am Karrierehöhepunkt, sondern auch noch später."

Mitterwallner: Karriereende mit 28

Von ganzheitlichem Sponsoring hätte auch eine Sportlerin wie Christiane Mitterwallner profitiert. Vor sechs Jahren entschloss sich die damals 28-jährige Skifahrerin, ihre Bretter an den Nagel zu hängen. Die Siegerin eines Weltcuprennens wurde immer wieder von Verletzungen aus der Bahn geworfen und fand im ÖSV-Team keine Berücksichtigung mehr. "Einerseits Erleichterung und andererseits eine Leere und komplette Ratlosigkeit" hat Mitterwallner nach ihrem Rücktritt gespürt. Nach reiflicher Überlegung hat sie dann die Studienberechtigungsprüfung gemacht. Jetzt schreibt sie ihre Diplomarbeit in Psychologie. Über KA:DA hat sie ein Praktikum bei der Erste Bank bekommen.

Alles durchstrukturiert im ÖSV

Nach dem Karriereende sei es für sie sehr schwer gewesen, auf eigenen Beinen zu stehen, erzählt Mitterwallner, die viele Jahre dem Sport alles untergeordnet hatte. Der Österreichische Skiverband ist eine Art "geschützter Bereich", wo von "Mai bis März alles durchstrukturiert ist". Nur Ausbildung oder Berufsberatung gibt es halt keine. Mitterwallner übernimmt bei der Erste Bank einen Job im "Work Life Center", berichtet Sabine Mlnarsky, Personalchefin des Unternehmens. Spitzensportler genießen in der Wirtschaft einen extrem guten Ruf, meint sie: "Sie sind sehr ehrgeizig, verfolgen ihre Ziele konsequent, denken extrem positiv und gelten als ausdauernd." Eigenschaften, die sie für interessante Jobs in der Wirtschaft prädestinierten.

Existenzängste bei Markus Hiden

Zwei Kreuzbandrisse und eine Achillessehne, die der Belastung nicht standhielt, zwangen auch Markus Hiden, sich Gedanken über die Zeit nach dem Profifußball zu machen. Der 30-Jährige war eine zeitlang "Stammgast" beim AMS. Nach seinen Verletzungen und dem Konkurs seines damaligen Vereins GAK befand sich der fünffache Teamspieler auf Job- und Orientierungssuche. "Es fehlen mir einfach Kurse und eine Ausbildung", sagt Hiden, der in Graz maturiert hat. Nach umfangreichen Rehabilitationsprogrammen hat er den Weg zurück in den bezahlten Fußball gefunden. Hiden kickt derzeit bei Leoben in der zweithöchsten Spielklasse. Weil das Karriereende naht, ist er aber in ständigem Kontakt mit KA:DA. Den ersten EDV-Kurs hat er bereits absolviert, weitere sollen in nächster Zeit noch folgen.

Bernhard Kohl: Karriereende mit 26?

"Wir sind für alle Sportler da", betont Roswitha Stadlober. Das gelte auch für einen wie Bernhard Kohl. Der Radprofi wurde des Dopings überführt. Dem 26-Jährigen droht eine Sperre von zwei Jahren. Darüber hinaus wird sein Millionenvertrag mit dem Rennstall Silence Lotto annulliert, Preisgelder müssen zurückgezahlt werden und Schadenersatzforderungen stehen im Raum. Kohl ist gelernter Rauchfangkehrer und wird wohl irgendein Auffangbecken brauchen. Denn ob der Dopingsünder jemals wieder als Profi in die Pedale treten wird, ist mehr als fraglich.

Lanzinger hat es geschafft

Der Grat zwischen Triumph und Tragödie ist eben im Leistungssport ein sehr schmaler, gibt Stadlober zu bedenken und erinnert an den Skifahrer Matthias Lanzinger, dessen Karriere im März ein abruptes Ende genommen hat. Dem Salzburger musste nach einem Sturz der Unterschenkel amputiert werden. Lanzinger hat in der Zwischenzeit einen Job gefunden. Der ORF hat ihn als Experten verpflichtet. Zu den ehemaligen Sportlern, die über KA:DA im Berufsleben Fuß gefasst haben, gehören u.a. Andrea Felber (Skiläuferin und jetzt Masseurin), Bernhard Strauß (vom Beachvolleyballer zum Immobilenmakler) und Franz Aigner (Fußballer, jetzt Unternehmer und Coach). (Oliver Mark, derStandard.at, 19.10.2008)