Ver- und zurückgeleaste Loks und die dahinterstehenden Finanzgeschäfte wachsen sich für die ÖBB zum Problem aus.

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Wien - In der ÖBB liegen die Nerven blank. ÖBB-Manager werden von Tag zu Tag nervöser, weil sie fürchten müssen, dass die hochriskanten Derivatgeschäfte mit der Deutschen Bank im Volumen von 612,9 Millionen Euro nicht mehr zu retten sind. Dies deswegen, weil die Finanz- und Bankenkrise mit voller Wucht auf die hochverschuldete Staatsbahn durchschlagen könnte.

Den bis dato nur Buchverluste produzierenden Collateralized Debt Obligations (CDO) "droht der Todesstoß aus Island" , befüchten Kapitalvertreter im ÖBB-Holding-Aufsichtsrat. Denn unter den etwas mehr als 200 Titeln, von deren Erfolg dieses Wett-Geschäft letztlich abhängt, befänden sich die drei großen isländischen Banken Kaupthing, Landsbanki und Glitnir. Sie wurden, um einen Finanzkollaps abzuwenden, vor einer Woche verstaatlicht (ihre Aktiva betragen das Zehnfache des isländischen Bruttoinlandsprodukts). "Wenn Island nicht einspringt, ist das Geld weg" , sagt ein anderes ÖBB-Aufsichtsratsmitglied zum Standard.

Das Problem dahinter: Einspringen mit Staatshaftungen könnte im Falle Islands nicht ausreichen. Denn erstens ist ein Kollaps des ganzen Inselstaats noch nicht endgültig ausgeschlossen, und zweitens garantiert der Staat Island wohl die Spareinlagen seiner Banken, nicht aber automatisch alle Fremdverbindlichkeiten. Letzteres ist für die ÖBB-Derivatgeschäfte aber entscheidend.

Dicker Raubfisch

Der vierte dicke Raubfisch im Derivat-Pool der ÖBB: Washington Mutual, die vor drei Wochen aufgefangene US-Sparkasse. Sie wurde teilweise filetiert, Bonds im Volumen von 46 Milliarden Dollar wurden fallengelassen. Von ihnen, schätzen Analysten, dürften nur zehn Prozent zurückgezahlt werden. "Kippen die 18 bis 25 am stärksten gewichteten Titel von den insgesamt 200, kippt der ganze Deal" , skizziert ein anderer ÖBB-Aufseher. "Dann werden dreihundert Millionen Euro an Rückstellungen nicht reichen, dann ist der ganze Topf fällig." Weg wäre das Geld dann real noch immer nicht, denn bis Ende der Laufzeit im Jahr 2015 kann sich alles ins Positive drehen. Jeder positive Erfolg brächte der Bahn dann einen Buchgewinn.

Bis dahin hat die ÖBB allerdings noch andere gravierende Probleme zu lösen. Sie muss diese Rückstellungen, die entsprechend den insgesamt 17 Cross-Border-Leasings zu mehr als der Hälfte den ÖBB-Personenverkehr treffen, erst einmal in den Bilanzen unterbringen. Gerade der Personenverkehr dürfte heuer aber ohnehin einen Verlust von rund 90 Millionen Euro einfahren.

Zusätzliche Kosten

Und die Cross-Border-Leasings (CBL, bei denen Waggons, Lokomotiven und Frachtenbahnhöfe für Jahrzehnte an US-Trusts verleast wurden, um sie für 25 bis 35 Jahre zurückzuleasen, Anm.) verursachen zusätzlich Kosten, etwa, weil CBL-Leasingraten im Volumen von 80 bis 100 Millionen Euro vom soeben geretteten US-Versicherer American International Group losgeeist werden müssen. Ob und wie viele Millionen für die Cross-Border-Deals vorgesorgt werden müssen, wie manche Wirtschaftsprüfer meinen, wird laut ÖBB ebenso rechtlich geprüft, wie die Frage, ob zumindest einige der 17 hochkomplizierten CBL-Deals aufgeschnürt werden müssen. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19.10.2008)