Adrian Sherwood
Never Trust A Hippy
(Real World/Virgin)

Foto: Universal

Wenn Adrian Sherwood lacht, schwitzt seine Glatze. Sie schwitzt ziemlich. Ein gutes Zeichen. Denn Interviews findet der Mann im karierten Al-Bundy-Hemd zwar "okay", aber der Tonfall des Wortes lässt darauf schließen, dass man sich besser anstrengt, um die Aufmerksamkeit dieses Mannes zu gewinnen. Es gibt schließlich Wichtigeres zu tun. Sherwood gilt als manischer Pragmatiker und weniger als Worte klaubender Theoretiker. Ein Blick in seinen Schaffenskatalog stützt diese These: Der heute 45-Jährige hat für folgende Künstler gearbeitet: Depeche Mode, Ministry, The Woodentops, Asian Dub Foundation, seinen Mentor Prince Far I, Bim Sherman (Miracle!), Air, African Head Charge, Skinny Puppy, Mark Stewart & The Maffia, Sinéad O'Connor, Einstürzende Neubauten, Little Roy, Missing Brazilians, Little Axe, The Slits, The Fall, Tackhead und viele mehr.

Dazu hat er auf seinem 1980 gegründeten Label On-U Sound Künstler wie Public Image Limited, The Pop Group, Junior Delgado oder Dub Syndicate veröffentlicht. Und weil jeder Mensch ja auch ein Hobby braucht, gründete er 1993 noch Pressure Sounds, auf dem er alte Reggae-Künstler wie Jackie Mittoo, Lee Perry, King Tubby oder Horace Andy wiederveröffentlichte. Kein Wunder, dass sein erstes Soloalbum erst dieser Tage erscheint: Never Trust A Hippy. Dieses entspricht in seiner lockeren Präzision seinem Urheber: dem neben Sly und Robbie wichtigsten Reggae- und Dub-Produzenten der Insel. Sherwood: "Ich sollte für Peter Gabriels Real-World-Label jamaikanische Seltsamkeiten zusammenstellen. Aber alles, was mir gefiel, war copyrighttechnisch nicht zu bekommen. Also habe ich aus einer Laune heraus selbst etwas produziert. Es hat Real World so gut gefallen, dass die ursprüngliche Idee verworfen und stattdessen ein Sherwood-Album zum Thema wurde. Das Resultat entspricht trotzdem dem ursprünglichen Anliegen. Es ist Musik, die du zu Hause genauso hören kannst wie in der Dancehall. Der Titel stammt von einem Johnny-Rotten-Zitat. Ein Scherz für alte Säcke wie mich."

Während die Glatze wieder stärker glänzt, spricht der Familienvater über seinen Zugang zur heutigen Musik: "Ich gehe selbst nicht mehr clubben, aber ich höre mir alles an: Jungle, Garage - was auch immer. Aber ich bin nicht länger Teil dieses Universums, obwohl ich einer der ersten Live-DJs war. Mich interessieren andere Dinge." Alan Lomax' Field Recordings etwa: "Die Mutter eines Freundes von mir war die Freundin des Musikarchäologen Lomax und hat mit ihm viele seiner berühmten Aufnahmen gemacht. Ich habe früh Teile davon für die Alben von African Head Charge und Little Axe eingesetzt. Moby verwendete später ebenfalls diese Field Recordings. Er hat das von Little Axe abgeschaut. Das ist okay, aber ich vermisse bis heute, dass er einmal in einem Interview sagt: Respekt an Skip McDonald oder an Alan Lomax. Er tut, als hätte er das alles entdeckt und mimt sogar den Sänger zu Samples: Ich finde das ziemlich peinlich."

Sherwoods Handschrift auf Never Trust A Hippy zeichnet die Vielseitigkeit seiner Arbeit aus. Seine Neigung zu aggressiveren Tönen ist spürbar: "Ich nenne das lieber aktiv als aggressiv. Es geht darum, den Sounds genügend Platz einzuräumen. Wenn du das nicht schaffst, können deine Samples noch so genial sein, es wird niemand merken. Egal ob du Jungle, HipHop oder Techno produzierst. Das ist die wichtigste Erkenntnis: Verstopfe deine Sounds nicht! Damit habe ich alles produziert: von Bim Sherman bis zu Little Axe. That's the trick! Das ist mein Stil."

Dementsprechend ist Never Trust A Hippy kein modisches Werk, sondern ein Dokument selten gehörter Vielschichtigkeit unter der Schirmherrschaft der Ästhetik des Dub. Keine breite Kiffermühsal, sondern eine Momentaufnahme eines der visionärsten Produzenten der vergangenen 20 Jahre mit einer Riege hochkarätiger Gäste. Von Sly und Robbie bis zu den früheren Sugarhill-Gang-Mitgliedern Keith LeBlanc und Skip McDonald.
(DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2003)