Wer bin ich? Der Hamburger Filmemacher Jan Peters im Wandel der Zeiten, Moden und Abbildungsapparaturen.

 

 

Foto: Viennale

Drei Minuten und ein paar zerquetschte passten früher auf eine Rolle Super-8-Film. Die kleinen Monologe, zu denen Jan Peters sich ab 1990 jährlich zum Geburtstag vor die eigene Kamera stellte, wurden also manchmal jäh unterbrochen. Das Material enthielt eine technische Grenze, in die sich das Subjekt gewiesen sehen musste.

Und genau das war es auch, was der deutsche Privatdokumentarfilmer suchte - er wollte sich mit einem Medium konfrontieren, das ihn zu einer Konzentrationsleistung zwang, das seiner ohnehin unspektakulären Selbstdarstellung ein Maß gab. Siebzehnmal hat Jan Peters zwischen 1990 und 2006 seinen Geburtstag mit einer Aufzeichnung gefeiert. Er begann mit den Worten: "Das ist ein Jungmännerfilm", da war er 24 Jahre alt. Den 40. Geburtstag feierte er mit einem wilden Tanz ohne Ton.

Dazwischen läuft ein Leben in der extremen Raffung von Jahressprüngen ab. Aber den Sinn des Lebens hab' ich immer noch nicht rausgefunden - dieser an einer Stelle leicht dahingesagte Satz ist nun der Titel des Films, zu dem Peters seine Geburtstagsfilme montiert hat. Sie erzählen viele Geschichten, zuvorderst seine eigene, gleichzeitig aber auch die des Mediums. Während sich die Technik weiterentwickelt und neue Möglichkeiten bietet, interessiert Jan Peters sich immer mehr für die Vergangenheit, sucht noch einmal die Erfahrungen der Kindheit auf oder beschwört aus einem Stück bemalter Mauer eine ganze Sozialgeschichte des Umgangs mit schwierigen Kindern in der BRD herauf.

Seine Existenz als Filmemacher ist durchwegs prekär, immer wieder taucht das Thema der nahenden oder eigentlich schon eingetretenen Pleite auf. Irgendwie bringt er sich aber doch durch, einige Jahre lebt er auch in Paris, wo seine Frau eine winzige Wohnung hat, die sie noch mit weiteren Personen teilen.

In seinen Journalfilmen November, 1-30 (1998) und Dezember, 1-31 (1999) hat Peters die Methode einer strukturierten Selbstverfilmung schon erprobt und dabei einen Schwebezustand zwischen entwaffnender Aufrichtigkeit und souveräner (Unter-)Inszenierung gefunden. Im Hintergrund steht dabei "der große Meister Hans Lucas", aka Jean-Luc Godard, der den Filmbildern eine Wahrheitsfunktion zugeschrieben hat, 24-mal in der Sekunde, also auch den Pausen zwischen den Bildern. Jan Peters schafft es locker, "den ganzen Daseinskomplex, die ungelöste Frage" da hineinzupacken.

Der Film ist gerade einmal eine Stunde lang. Video wird zwischendurch als Notlösung gebraucht. Nach 2000 will aber auch Jan Peters sich der Digitalisierung nicht länger widersetzen. Ein einziges Mal tritt er in Kontakt mit der "großen" Geschichte, bei der Sonnenfinsternis 1999, einem Ereignis, bei dem ganz Europa auf den Beinen war, weil es angeblich "auch die geschwätzigsten Geister verstummen" ließ. Gegen diese falsche Erhabenheit macht Jan Peters seine wunderbaren Existenzfilme. (Bert Rebhandl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18./19.10.2008)