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Krank machende Bürokratie sorgt für chronisch übermüdete Ärzte

foto: apa/epa/endig

Die eine Krankheitsursache des maroden Gesundheitssystems haben die Ärzte schon ausgemacht: Bürokratie in Spitälern schade den Patienten. Das nächste Gesundheitsrisiko seien die geplanten Selbstbehalte.

Wien - Viele Spitalsärzte können sich nur die Hälfte ihrer Arbeitszeit den Patienten widmen, mehr als zwei Drittel gehen gar nicht. Denn in den Krankenhäusern gilt der Grundsatz: Von der Wiege an die Bahre - Formulare, Formulare. Dabei geht es nicht nur um Krankengeschichten, sondern vor allem um Verwaltungskram.

Das sei schlicht "skandalös" - weil die Bürokratie nämlich auf Kosten der Patienten gehe, klagt die Bundesobfrau der Angestellten Ärztinnen und Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), Gabriele Kogelbauer.

Der durchschnittliche Spitalsarzt ist chronisch übermüdet: In einer Ifes-Studie, für die jeder zehnte Spitalsarzt befragt wurde (n=2000), wurde eine wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 59 Stunden ermittelt, Spitzenbelastungen von jungen Turnusärzten liegen gar bei 77 bis 82 Wochenstunden. Andererseits gibt es immer wieder Diskussionen darüber, ob Spitalsärzte Nebentätigkeiten nachgehen dürfen - wie das mit den hohen Arbeitsbelastungen zusammengeht, erklärt Kogelbauer so: Es sei ein "Treppenwitz der Geschichte", dass seit Jahren von der Kammer geforderte (Höchst-)Arbeitszeiten nicht eingehalten werden, und sich nun der Dienstgeber um die Freizeit der Angestellten kümmern wolle.

Viel mehr Sorgen machen sich die Ärzte um einen anderen Aspekt der Gesundheitspolitik: Wie berichtet, will die schwarz-blaue Koalition fünf Euro bei jedem Besuch einer Ordination einheben. Ärztekammerpräsident Otto Pjeta nennt das einen "unbedachten Schnellschuss, der die Versorgungsstrukturen des sozialen Gesundheitssystems total verändern würde".

Proteststurm gegen Arztgebühr

Die Mediziner fürchten (ebenso wie SP-Gesundheitssprecher Manfred Lackner), dass Kranke auch in ernsteren Fällen nicht zum Arzt gehen würden, weil sie die Kosten scheuten. Der Vetreter der Niedergelassenen Ärzte, Jörg Pruckner, nennt das eine kontraproduktive "Zugangsbarriere zum Gesundheitssystem".

Bei der Wiener Gebietskrankenkasse gab es eine "Welle von Protestanrufen empörter Menschen". Johannes Fenz, Präsident des Katholischen Familienverbandes (KFÖ), stößt besonders auf, dass auch für jedes kranke Kind in Zukunft fünf Euro beim Besuch eines praktischen Arztes und zehn Euro für den Facharzt oder die Krankenhausambulanz bezahlt werden sollen. Die kostenlose Gesundheitsversorgung für Familienmitglieder sei eine nicht einfach verzichtbare familienpolitische Leistung. Ärztin Kogelbauer fühlt sich an das "Drama" um die Ambulanzgebühr erinnert: "Ist der bürokratische Aufwand die Sache selbst wert?" (mad, cs)