Noch ist kein Schuss im Irakkonflikt gefallen, aber der "Krieg um den Krieg" steuert in den nächsten Tagen auf eine Entscheidungsschlacht zu. Seit Wochen ringen die Hauptbeteiligten - die USA und Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie der Irak - um die beste Ausgangsposition, spielen auch die restlichen Europäer, Russland, die öffentliche Meinung in Europa und die UN-Waffeninspektoren am Rande mit. Die von London und Washington nun eingebrachte zweite UN-Resolution und das Ultimatum der Waffeninspektoren an den Irak, seine Raketen vom Typ Al-Samud 2 bis Ende der Woche zu zerstören, könnte der Startschuss für das diplomatische Endspiel werden.

Die treibende Kraft ist US-Präsident George W. Bush. Er ist entschlossen, Saddam Hussein zu einer umfassenden Entwaffnung zu zwingen oder - viel wahrscheinlicher - ihn mit Gewalt zu entmachten. Bush kann, will aber nicht allein handeln. Sein Verbündeter Tony Blair steht an seiner Seite, sorgt sich aber um die negative Stimmung in seinem Land und drängt daher auf eine Legitimierung durch die UNO. Das gelang zuletzt im November 2002, als der gesamte Sicherheitsrat für die Resolution 1441 stimmte - dank eines Textes, den jeder in seinem Sinne interpretieren konnte. Washington sieht darin die Autorisierung eines Angriffes, Blair noch nicht ganz. Die zweite UN-Resolution lässt hingegen keinen Zweifel - sie ist eine Kriegserklärung an den Irak. Kein Wunder, dass sich die Begeisterung bei den anderen Mitgliedern in Grenzen hält.

Nun wissen sie alle, dass auch ein Scheitern der Resolution Amerikaner und Briten nicht von einem Militärschlag abhalten würde. Aber die USA wären gedemütigt und Blair zu Hause deutlich geschwächt.

Allerdings wäre dies auch für Jacques Chirac und Gerhard Schröder ein höchst zweifelhafter Sieg. Noch kämpfen die beiden um eine Alternative zum Krieg. Doch wenn dieser kommt, will vor allem Paris aus weltpolitischen und wirtschaftlichen Gründen wieder eingebunden sein - wenn nicht militärisch wie im letzten Golfkrieg, dann zumindest politisch. Deshalb hoffen die Briten, dass auch diesmal der Widerstand gegen eine Anti-Irak-Resolution im Sicherheitsrat zusammenbrechen wird. Der entscheidende Unterschied zu damals aber ist, dass ein Ja zur Resolution nun ein Ja zum Krieg bedeutet.

Die einzige Chance für Paris und Berlin, die Ereignisse doch noch zu steuern, wäre es, Saddam Hussein zum Einlenken zu bewegen. Seit Wochen bietet ihre geschickte Verzögerungstaktik dem umzingelten Diktator ein Schlupfloch. Doch will und kann Saddam dieses nutzen?

Offenbar nein. Seit Monaten spielt der Diktator auf Zeit, kooperiert gerade so viel mit den Inspektoren, dass die Gegner des Krieges ihr Gesicht bewahren können. Doch spätestens am Samstag ist dieses listige Spiel vorbei. Mit seiner Forderung nach Zerstörung der Raketen hat Chefinspektor Hans Blix den Irak gezwungen, Farbe zu bekennen. Saddam muss sich zwischen zwei Übeln entscheiden: Bleibt er hart, kommt der Krieg auf jeden Fall; gibt er nach, kommt es vielleicht auch zum Krieg, und dem Irak fehlen wichtige Waffen zur Verteidigung.

Wenn der Diktator sich nun, wie im CBS-Interview angedeutet, gegen Blix und für seine Raketen entscheidet, dann beruht diese Wahl auf einer realistischen Kalkulation: Der Krieg kommt ohnehin; die europäisch-russische Friedensallianz kann diesen Zug nicht stoppen.

Damit aber ändert sich auch die Situation auf dem diplomatischen Schlachtfeld: Verweigert der Irak die Kooperation mit der UNO, können die Sicherheitsratmitglieder kaum gegen die neue Resolution stimmen. Auch der Druck von der Straße würde etwas nachlassen. Der Weg für den Krieg wäre frei.

Selbst dann gäbe es gute Gründe, an der Sinnhaftigkeit einer militärischen Lösung zu zweifeln. Aber zumindest wird niemand mehr behaupten können, dass Saddam mit ein bisschen Geduld ohnehin von selbst abgerüstet hätte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 26.2.2003)