Italien steht erneut eine Regierungskrise ins Haus: Alleanza Nazionale und die Christdemokraten wollen gemeinsam mit der Mitte-links-Opposition die Führungsspitze des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Rai stürzen. Die Lega Nord hat daraufhin ihren Rückzug aus der Regierung angekündigt. Alle Vermittlungsversuche von Silvio Berlusconi blieben bislang erfolglos, der Premier zeigte sich sehr irritiert über das Vorgehen seiner Koalitionspartner.

Hinter den Kulissen ist ein Kampf um die Informationspolitik entbrannt. Während Berlusconi fünf der sechs landesweit sendenden TV-Kanäle kontrolliert und auch die Lega Nord seit der Regierungsübernahme Einfluss im Mediensektor gewonnen hat, fühlen sich nicht nur die Opposition, sondern auch die Koalitionspartner Alleanza Nazionale (AN) und Christdemokraten benachteiligt - sowohl was Postenbesetzungen als auch inhaltliche Ausrichtung der TV-Information betrifft.

Zugeständnis an die Lega Nord

Zum offenen Bruch zwischen Berlusconi und seinem Vize, AN-Chef Gianfranco Fini, kam es, nachdem die Berlusconi-nahe Rai-Spitze beschlossen hatte, einen ihrer drei Kanäle von Rom nach Mailand zu verlegen - ein Zugeständnis an die Lega Nord, die sich dadurch direkten Einfluss auf Rai Due verspricht.

Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi sah sich genötigt, die politische Einflussnahme im Informationsbereich zu brandmarken, das Parlament müsse endlich ein neues Mediengesetz verabschieden. Es gebe keine gesunde Demokratie, wenn Pluralismus und Objektivität im Medienbereich nicht gewährleistet seien. Er stärkte auch den Journalisten den Rücken, sie sollten sich nicht dem Druck beugen und "mit Rückgrat und erhobenen Hauptes" für eine korrekte Information der Bürger arbeiten.

Teilstreiks

Die Rai-Redakteure haben Teilstreiks gegen die ständig zunehmende politische Einflussnahme ausgerufen, Berlusconi hatte unter anderem die Berichterstattung der Rai zum Irakkonflikt als "Desinformation" bezeichnet und eine eigene Informationsoffensive angekündigt, die Premier-Partei Forza Italia war wegen ihres eindeutigen Pro-USA-Kurses in den Umfragen zuletzt deutlich abgesackt.

Die Opposition wirft der Regierung nicht nur politische Bevormundung vor; die Rai- Führung schädige durch schlechte Programmplanung auch das öffentlich-rechtliche TV zugunsten von Berlusconis Anstalten; dessen Mediaset hatte zuletzt die Rai-Programme in der Publikumsgunst klar überholt. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2003)