Andreas Khol liebt Metaphern. Auch Gleichnisse und Zitate, wiewohl er sie nicht immer ganz korrekt wiedergibt; doch wen kümmert das schon. Die Medien wiederum lieben Andreas Khol, weil er alleweil ein knackiges Sprücherl zur Hand hat, und loben ihn als gebildet, wenn nicht gar humanistisch. Was freilich unterschwellig in seinen blumigen Vergleichen transportiert wird, hat mit Humanismus oft wenig zu tun.

Anlässlich der Regierungsbildung erfreute sich das Bild der Brautschau großer Beliebtheit. Ich will Professor Khol nicht unterstellen, es erfunden zu haben - auch die Wiener Stadtzeitung Falter setzte die Fotomontage eines Trachtenpärchens aufs Titelblatt, wobei Schüssel als Bursch Van der Bellen als Mädel zu verführen suchte -, doch hat der Klubobmann und nunmehrige Nationalratspräsident es gern bedient, nannte etwa die Grünen "die Braut, die sich nicht traut", was allseits begeistert aufgegriffen wurde.

Hm. Sehen wir uns dieses Bild doch etwas näher an; ungeachtet dessen, dass es sich um ein eigentlich sehr unpassendes für Koalitionsverhandlungen (oder Vorgespräche, "Sondierungen", was immer) in einer repräsentativen Demokratie handelt. Schließlich sollte es dabei gerade nicht um Liebe oder das Jawort zu einer Lebensgemeinschaft gehen, sondern um eine sachliche, von vornherein befristete Kooperation.

Warum, wenn es doch ein reichlich schiefes ist, gefällt das Motiv der Brautwerbung vielen gar so gut, und speziell der ÖVP und ihrem humanistisch gebildeten, zitatenreichen Professor?

Ganz außer Zweifel steht, dass als Freier, also als Mann, immer Schüssel (beziehungsweise die ÖVP) dargestellt wurde: als der, welcher, typisch männlich-energisch, "will". Somit wird die jeweils andere Partei zur - typisch weibisch-zögerlichen - Frau, die im Fall des Scheiterns der Anbahnungen "sich zu lang ziert", deutlicher: "nicht lässt". Die fade Funzen!

Da braucht sie sich nicht wundern, wenn ihr ein herzhaftes "Bist eh schiach" hinterher gerufen wird, wie es in allen Landdiscos üblich ist seit Generationen. Keine Frage, wem die Sympathie der Stammtische zufällt. Das ist halt ein richtiger Kerl, der gleich drei Weiber gleichzeitig papierlt, und zwar über Wochen und Monate!

Ganz wie im richtigen Leben, entscheidet er sich letztlich doch wieder für die alte Alte. Und die, unendlich dankbar, sinkt willig abermals in seine starken Arme. Dabei war er es, der sie verstoßen hat, und in Folge übel zugerichtet. "Das Heu heruntergeräumt" hat er ihr, auf durchaus nicht die feine Art; hat sie zurechtgestutzt, um mehr als bloß einen Kopf kürzer gemacht; in aller Öffentlichkeit dazu, unter dem johlenden Applaus des Publikums.

Natürlich hat sie sich das selber zuzuschreiben. Aufmucken wollte sie, seine Autorität untergraben, sich seiner Vormundschaft entziehen? Ha! Mit solcher Renitenz zwang sie ihn ja geradezu, ihr den Herrn zu zeigen und, wo Gott wohnt. Und sollte ihm dabei die Hand ausgerutscht sein - nun ja, so was kommt vor; und hat es ihm nicht, ehrlich, selber viel mehr weh getan als ihr?

Kaum. Doch all das ist vergessen und vergeben, hinweggewischt, der Rede nicht mehr wert, ausgelöscht durch den einen, magischen Satz: "Sind wir wieder gut?"

Nun werfen sie sich, aufs Neue vereint, in Positur für die Fotografen. Was für ein Paar! Wie geschaffen fürs Album einer "Familienpartei". Er: stattlicher, potenter, mächtiger denn je; ein kleiner Patriarch, die Brust geschwellt, und doch ganz Vater, Oberhaupt, Fürsorger.

Sie: noch arg zerzaust, verwirrt, voller Blessuren, aber glücklich, wieder dabei, bei ihm sein, ihm sich unterwerfen zu dürfen, Anteil zu haben an seiner Herrlichkeit, koste es, was es wolle; ein Weibsbild, wie es im Buch der Bücher steht; eine echte Susi, auch wenn sie Herbert heißt.

Oh ja, in ihrem Lager ist Österreich. Leis spielt im Hintergrund die Tante Liesl auf der Flöte: "Kein schöner Land in dieser Zeit ..." (DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2003)