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"Nicht ich habe der Mafia Furcht eingeflößt, sondern die Millionen Leser meines Buches": Roberto Saviano.

Foto: REUTERS/Jean-Paul Pelissier

Es könnte ein Kapitel aus seinem Bestseller sein. Eine jener Episoden, die Roberto Savianos Buch "Gomorrha" zum Welterfolg werden ließen. Zu einem Erfolg, der sich für den 29-jährigen Autor aus Neapel zunehmend zum Albtraum auswächst.

Die Camorra plant offenbar einen Anschlag auf den verhassten Schriftsteller, dessen eigenwillige Mischung aus Roman, Reportage und Essay das Innenleben der kriminellen Organisation so detailliert schildert, als hätte er es selbst erfahren. Makaber genug: Was in der erfolgreichen Verfilmung seines Romans mitleidslos geschildert wird, erfährt Saviano am eigenen Leib - wer die Mafia herausfordert, wird zum Tode verurteilt.

Noch vor Weihnachten, warnte das reuige Camorra-Mitglied Carmine Schiavone, soll der Autor durch einen Anschlag getötet werden. Der Boss Giovanni Setola, der für den siebenfachen Mord von Castel Volturno verantwortlich sein soll, habe seine Komplizen mit der Beschaffung einer "effizienten Fernzündung" für den Anschlag beauftragt. Setola, der vor wenigen Tagen einer Polizeirazzia in Kampanien knapp entkommen konnte, plante den Anschlag offenbar nach Vorbild des spektakulärsten Mafia-Attentats der jüngeren Geschichte: Im Mai 1992 wurde Italiens oberster Mafia-Jäger Giovanni Falcone mit seiner Wagenkolonne in die Luft gejagt.

Die Polizei nimmt die Gefahr durchaus ernst. Saviano lebt seit zwei Jahren unter Schutz. Sieben bewaffnete Leibwächter begleiten ihn rund um die Uhr. Aus Sicherheitsgründen muss er seinen Aufenthaltsort ständig ändern. "Nicht ich habe der Mafia Furcht eingeflößt, sondern die Millionen Leser meines Buches", versichert der Autor. "Doch jeden Tag frage ich mich, ob ich diesen Roman nochmals schreiben würde."

Leben wird zum Albtraum

Im Radio schilderte der Autor am Montag die psychische Belastung des Lebens im Untergrund: "Die ständige Bedrohung schlägt auf mein Gemüt. Ich bin mir bewusst, dass mein Leben jeden Augenblick enden kann. Ich fühle mich isoliert, habe keine Freunde, keine persönlichen Beziehungen mehr. Mein Leben wird immer mehr zum Albtraum." Dennoch lebe er "erhobenen Hauptes", versicherte Saviano, der jetzt an einem Buch über die Giftmüllentsorgung durch die Camorra arbeitet.

Antimafia-Staatsanwalt Franco Roberti hält es für durchaus möglich, dass die Camorra nach einer "spektakulären Antwort" auf die jüngsten Verhaftungen sucht. In einem "Brief an mein Land" hatte Saviano nach dem Blutbad von Castel Volturno vergeblich versucht, seine Mitbürger aufzurütteln und zum Widerstand gegen das organisierte Verbrechen aufzurufen.

Saviano will nun Italien verlassen. Er fühle sich als Gefangener der Camorra, die ihn zwinge, aus Sicherheitsgründen unter Polizeieskorte zu leben: "Ich will mein Leben zurück. Ich will eine Wohnung, in der ich leben kann, ich will mich verlieben, frei ein Bier trinken können (...) Ich will Freunde um mich haben, lachen und nicht immer über mich sprechen müssen, als wäre ich ein Kranker im letzten Stadium. Ich bin erst 28 Jahre alt". (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, Printausgabe, 15.10.2008, APA)