Eigentlich sollten Apple-Rechner ja schon von Haus aus bestens auf die multimediale Nutzung im Wohnzimmer vorbereitet sein: Immerhin liefert der Hersteller in Form von "Front Row" bereits eine zeitlang ein kostenloses Media-Center mit.

Eingeschränkt

Das Problem dabei: Hinter der hübschen Oberfläche ist Front Row von einer Fülle von Beschränkungen und den Apple-typischen Hindernissen geplagt. So ist etwa der Audio/Video-Codec-Support von Haus aus recht bescheiden. Auch wenn dieser mit Tools wie Perian verbessert werden kann, die Einbindung eigener Medien ist eine Qual, da Apple hier wieder einmal alles über iTunes zwingt (so man denn eine vernünftige Integration ins Menüsystem will). Die Performance ist auch nicht unbedingt berauschend, fortgeschrittene Funktionalitäten oder Erweiterungsmöglichkeiten sucht man ohnehin vergebens.

Überblick

Jede Menge Platz also für Alternativen in diesem Bereich. Auf den folgenden Seiten sollen einige der interessantesten Lösungen für die heimische Medienzentrale präsentiert werden - von kommerziell bis Open Source. Als Testplattform kam ein Mac Mini mit Intel Core2Duo / 1,83 GHz CPU zum Einsatz, Performanceaussagen beziehen sich entsprechend auf ein solches System.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit Media Central macht das einzige kommerzielle Produkt in dieser Übersicht den Anfang. Ab 29,95 Euro muss man für den Erwerb einer Lizenz zum Betrieb der Software zahlen, immerhin kein all zu hoher Preis, eine Ausgabe zu der die potentiellen KäuferInnen mit einer Reihe von zusätzlichen Features gegenüber Front Row gelockt werden sollen.

Simpel

Doch von Anfang an: Das Interface ist wie bei der Apple-Konkurrenz recht spartanisch ausgelegt, etwas das zwar der Übersichtlichkeit zuträglich ist, in vielen Fällen würde man sich aber noch weitere Zusatzinfos über einzelne Titel wünschen. Die Codec-Unterstützung ist etwas besser als das von Apple gebotene, so werden auch Windows Media-Dateien unterstützt, zusätzlich kann auch Real Player-Support hinzugefügt werden.

Übernahme

Video- und Musikinformationen lassen sich direkt aus iTunes übernehmen, aber auch ohne die Apple-Software können Filme lokal oder im Netzwerk eingebunden werden. Bei der Videoabspielfunktionalität gibt es wenig auszusetzen, auch wenn etwas mehr Konfigurationsmöglichkeiten der Software gut tun würden. Immerhin werden im selben Verzeichnis wie ein Film abgelegte Untertiteldateien automatisch eingebunden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zur Kernfunktionalität von MediaCentral gehört neben den "Klassikern" Video- und Audiowiedergabe sowie Bildbetrachtung auch die eine oder andere Spezialität, mit der man sich auch von der Konkurrenz abheben möchte. Allen voran die Ünterstützung von digitalem Fernsehen per DVB-T, hier hat der Hersteller equinux mit "The Tube" ein eigenes Produkt im Angebot, aber auch die Karten und Sticks einer Reihe anderer Hersteller funktionieren mit der Mediensoftware.

Skype

Eine weitere Besonderheit ist die Skype-Unterstützung: Eingehende Voice-over-IP-Gespräche werden direkt in der Software signalisiert, auch der Online-Status der eigenen Bekannten wird hier angezeigt. Weiters stehen eine Reihe von Spiele-Klassikern zur Auswahl, wer will kann sogar eigene Flash-Spiele diesem Angebot hinzufügen.

Grafik: equinux

Viel Mühe gibt man sich bei MediaCentral auch mit der Einbindung von Online-Content. Dies reicht von einer erklecklichen Anzahl an Internet-Radio-Stationen bis zu IPTV. Eines der echten Highlights ist dabei die noch recht neue Integration der ZDF-Mediathek, aber auch zahlreiche andere Quellen stehen hier zur Auswahl.

Anbindung

Zusätzlich lassen sich Videos von YouTube und Google Video direkt aus MediaCentral betrachten, das hier Gebotene ist allerdings etwas enttäuschend. Eine Suchfunktion vermisst man schnell, der Zugriff auf die Welt der Online-Videos ist auf recht willkürlich ausgewählte "Top-Videos" beschränkt. Eine Restriktion, die der Anbindung an Youtube und Co. weitgehend ihr Potential nimmt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Der Online-Trend zeigt sich auch bei der Bildbetrachtung: Neben eigenen Galerien können hier nämlich auch Fotostreams von Flickr angezeigt werden, allerdings ist man dabei einmal mehr auf Vordefiniertes begrenzt. Immerhin kann auf die eigenen Flickr-Alben und die der FreundInnen zugegriffen werden. Ähnliches auch bei der Musiksparte, hier werden zu einzelnen Titeln Videos angeboten.

Einsatz

An der Bedienung von MediaCentral gibt es nichts zu mäkeln, die Zusammenarbeit mit der Apple Remote funktioniert recht intuitiv. Weniger erfreulich ist hingegen die Startgeschwindigkeit der Anwendung, diese ist nämlich im Testfeld mit Abstand die langsamste. Dafür steht die Software in 13 Sprachvarianten zur Auswahl, darunter auch eine deutschsprachige.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Der nächste Kandidat ist nicht nur kostenlos sondern auch Open Source, der Code steht also frei zur Verfügung und kann nach Belieben weiter verarbeitet werden. Genau dieser Umstand ist es auch der Plex erst ermöglicht hat.

Basis

Denn die Software hat ihre ersten Schritte als Mac OS X-Version des freien Media Centers XBMC unternommen. Mittlerweile hat sich das Ganze zu einem vollständigen Fork gemausert, die Entwicklung erfolgt also abgetrennt vom XBMC-Projekt, Code wandert trotzdem weiterhin regelmäßig zwischen den beiden Projekten hin und her.

Look

Das Interface ist dabei wesentlich aufwändiger gestaltet, als es etwa bei Front Row oder auch MediaCentral der Fall ist. Vor allem auf HD-Fernsehern spielt die Software hier voll ihre Stärken aus, mit zahlreichen Informationen werden die diversen Medien hübsch aufbearbeitet präsentiert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Das Highlight von Plex ist sicherlich der "Library Modus": In diesem werden für alle auf der Platte gefundenen Medien-Dateien - Pfade können nach Belieben hinzugefügt werden - automatisch zusätzliche Informationen von verschiedenen Online-Services heruntergeladen. Im Bereich Spielfilme ist das etwa von Haus aus die Internet Movie Database.

Aufarbeitung

Auf diese Weise werden zu jedem - erkannten - Film nicht nur Minaturgrafik und angepasstes Hintergrundbild angezeigt, auch eine Inhaltszusammenfassung gibt es. Weitere gebotene Informationen sind das Veröffentlichungsjahr und die IMDB-Bewertung, zusätzlich erfährt man wer Regie geführt oder in den Hauptrollen mitgespielt hat.

Sortierung

All diese Informationen lassen sich außerdem dazu nutzen, die eigene Filmsammlung nach Kriterien jenseits des simplen Titels zu durchsuchen. So lassen sich dann etwa alle Filme anzeigen, in dem eine bestimmte Schauspielerin mitgespielt hat, wer einmal einen Hang zum cinematographischen Masochismus verspürt, kann sich auch jene Titel heraussuchen, die die niedrigste IMDB-Bewertung haben

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für die Darstellung der Filmbibliothek kann zwischen mehreren Ansichten gewechselt werden, es gibt die Möglichkeit Playlisten anzulegen und das Angebot manuell zu durchsuchen.

Speed

Bei der Wiedergabe lässt Plex dann seine Muskeln so richtig spielen, während Front Row mit 720p-Material auf dem Testsystem zu kämpfen hatte (Hänger zu Beginn, äußerst langsames Durchsuchen,...) werden die selben Titel hier problemlos wiedergeben. Für die Zukunft hat man sich in diesem Bereich noch einiges vorgenommen, ausgegebenes Ziel ist es, auf einem Mac Mini mit 2 GHz 1080p-Material problemlos darstellen zu können.

Tuning

Vorbildlich auch die Audio/Video-Unterstützung: Dank der ffmpeg-Basis unterstützt Plex so ziemlich alles, was ihm vorgesetzt wird. Bei der Wiedergabe von Filmen lassen sich zahlreiche Parameter umstellen, so kann etwa zwischen verschiedenen Tonspuren oder Untertiteln gewechselt werden, wer will kann sogar eine Audio-Verzögerung ausgleichen oder zwischen verschiedenen Zoom-Modi und Skalierungs-Methoden wählen.

Bookmarks

Außerdem lassen sich Bookmarks anlegen, um eine bestimmte Stelle in einem Film schnell wieder aufzufinden. Von Haus aus merkt sich der Player aber ohnehin, wo man zuletzt das Abspielen gestoppt hat, um eine Wiederaufnahme des Filmvergnügens zu erleichtern.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Besonders nett ist der Library-Modus bei Fernsehserien: Diese werden automatisch zusammengefasst und in Staffeln eingeordnet. Die einzelnen Episoden werden dann mit ihrem richtigen Titeln angezeigt, für jede gibt es auch hier Bewertungen, Inhaltsinfos und ähnliches. Die notwendigen Informationen holt man sich von TheTVDB.com.

Automatik

Einziger Nachteil bei diesem Bibliotheks-Ansatz: Titel, die nicht automatisch erkannt werden, scheinen zunächst hier gar nicht auf, und müssen erst manuell hinzugefügt werden. Über die generische Video-Ansicht sind diese aber auch so zu erreichen.

Musik

In Musikfragen gibt es ebenfalls wenig auszusetzen, so können auch CDs direkt in Plex gerippt werden. Wer will kann auch die eigenen Hörgewohnheiten an Last.FM schicken oder selbst von den Informationen des Online-Musikservices profitieren, also etwa speziell angepassten Musik-Streams lauschen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Außerdem gibt es eine Wetteranzeige sowie eine Fülle von Einstellungsmöglichkeiten. So kann Plex als UPNP-Server fungieren, die eigenen Medien werden dann entsprechend an UPNP-fähige Clients im Netzwerk weitergereicht. Umgekehrt kann natürlich Plex auch selbst den Client spielen und auf andere Mediensammlungen zugreifen.

Suche

Über ein Skript gibt es eine Anbindung an YouTube, dabei kann auch nach Stichwörtern oder AutorInnen gesucht werden. Das Betrachten von Filmtrailern von der Apple sollte eigentlich ebenso möglich sein, bei diesem Versuch stürzte die Software (Version 0.5.21) im Test aber reproduzierbar ab.

Aktuell

Verbesserungswünsche gibt es aber natürlich auch hier noch: So wäre ein automatisches Aktualisieren der Bibliothek wünschenswert, zwar können schon jetzt selbsttätig neue Titel indiziert werden, schon gelöschte Dateien bleiben aber in der Liste erhalten, erst nach dem manuellen Ausführen von "Clean Library" ist alles wieder so wie es sein soll. Auch die Fernbedienungssteuerung könnte noch etwas Finetuning vertragen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Erwähnt sei an dieser Stelle auch, dass es von XBMC mittlerweile eine eigene Version für Mac OS X gibt. Derzeit aktuell ist die Beta 2 der kommenden Release mit dem Namen "Atlantis". In der Funktionalität gleicht man Plex wenig überraschend in weiten Teilen. Wer will kann XBMC gar den Look von Plex verpassen - immerhin ist die Plex-Oberfläche auch nichts anderes als ein weiterer XBMC-Skin, in dem Fall der mit dem Namen MediaStream.

Umsetzung

Derzeit wirkt Plex allerdings noch etwas besser integriert mit der Mac-Umgebung, welche der beiden Lösungen sich schlussendlich durchsetzt, wird sich aber wohl ohnehin erst mit der Zeit zeigen. Den BenutzerInnen kann es eigentlich egal sein, immerhin haben sie schnell eine beinahe idente Alternative zur Hand. Die Funktionalität der Software lässt sich übrigens über eine Vielzahl von Skripten nach Belieben erweitern.

Plattformen

Am Rande angemerkt sei noch, dass XBMC für zahlreiche Plattformen erhältlich ist, neben Mac, Windows und Linux gibt es auch eine eigene Live-CD, mit der das Medienzentrum auf die Schnelle ausprobiert werden kann. Seit kurzem ist außerdem eine Version für das AppleTV verfügbar.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ebenfalls auf der Basis von XBMC wurde Boxee entwickelt, allerdings versucht der relative Neuzugang in der Media Center-Welt frische Pfade zu beschreiten. Denn bei Boxee stehen die sozialen Beziehungen vollständig im Mittelpunkt, über ein zugehöriges Online-Service werden die Seh- und Hörgewohnheiten mit den eigenen FreundInnen ausgetauscht.

Aufbau

Entsprechend ist schon der Startschirm vollständig anders aufgebaut: So werden hier die aktuellen Aktivitäten derjenigen, die als FreundInnen eingetragen sind, deutlich sichtbar angezeigt. Auch was man selbst in letzter Zeit betrachtet oder in die Bibliothek hinzugefügt hat, wird dargestellt

Tests

An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich Boxee derzeit noch in einem halboffenen Alpha-Test befinden, eine Benutzung der Software ist nur nach vorheriger Einladung möglich. Diese ist aber über die Foren des Projekts auf Nachfrage relativ einfach zu bekommen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Boxee stellt konsequent die Netznutzung in den Vordergrund. So bietet die Software schon von Haus aus Zugriff auf eine Fülle von Video-Podcasts, vom CNET-Videoblog bis zu CNN-Features gibt es hier eine äußerst reichhaltige Auswahl an Online-Videos. Insofern erinnert die Software in Teilen schon eher an den Internet-TV-Client Miro als an ein ein klassisches Medienzentrum. Der YouTube-Zugriff versteht sich da schon fast von selbst.

Download

Zusätzlich lassen sich auch einige mittlerweile freigegebene Filmklassiker direkt über Boxee herunterladen. Um dies zu ermöglichen hat man einen Bittorrent-Client integriert. In einer eigenen Ansicht wird Auskunft über den aktuellen Fortschritt des Downloads gegeben.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Seine Besonderheiten offenbart Boxee dann beim Abspielen von Mediendateien aller Art: Ob Film, Video oder Musik: Alles kann bewertet oder gezielt einzelnen FreundInnen empfohlen werden.

Aktiv

Umgekehrt kann man selbst den entsprechenden Empfehlungenen nachgehen: Klickt man einen Titel in den Aktivitäten der eigenen FreundInnen an, so wird dieser umgehend auf dem eigenen Rechner aufgerufen. Freilich nur wenn er auch lokal vorhanden ist, oder ohnehin von einem Online-Service stammt. Ist beides nicht der Fall bietet Boxee je nach Medientyp weitere Möglichkeiten: Bei Filmen wird dann auf den zugehörigen Trailer verwiesen, bei Musik auf den passenden Last.FM-Stream.

Picasa

In Fragen Bildbetrachtung gibt es neben dem Zugriff auf lokale Daten auch die Möglichkeit beliebige Bilderserien von Flickr oder Picasa anzeigen zu lassen. Dabei kann auch gezielt nach Themen oder Personen gesucht werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Bei der Musik-Komponente gibt es ebenfalls wenig auszusetzen: Die Software sucht - übrigens auch bei Videos und Bildern - automatisch nach den zugehörigen Metadaten. Nicht identifizierte Alben können  über einen eigenen Eintrag leicht manuell zugeordnet werden.

Speziell

Nett auch die Möglichkeit bei der Musikwiedergabe Lyrics zu einzelnen Titeln aus dem Netz nachzuladen. Eine breite Auswahl an Visuals darf - wie auch bei der Konkurrenz - natürlich ebenso wenig fehlen.

Radio

Beeindruckend das Angebot von Boxee im Bereich Internet-Radio: Eine schier unüberschaubare Anzahl von Streams über Shoutcast, Jamendo und Co. wird hier geboten. Selbst Radiosendungen der BBC sind im Angebot, ein umfassender Last.FM-Support ist natürlich auch mit dabei.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Allgemein gibt sich das Interface von Boxee etwas reduzierter als das von Plex, viele Infos bekommt man dann erst über einen zusätzlichen Klick. Im Bereich Video erfreut noch die Anbindung an OpenSubtitles, zur jeweiligen Datei können passende Untertitel im Netz gesucht und automatisch heruntergeladen werden.

Auslegung

Wie XBMC selbst ist auch Boxee plattformübergreifend ausgelegt, derzeit gibt es neben der Mac-Version auch eine für Ubuntu Linux, eine Windows-Variante soll folgen. Auch das AppleTV lässt sich bereits mit Boxee ausstatten, eine Anleitung dafür findet sich im Blog zum Projekt.

Fazit

Alle der hier vorgestellten Lösungen bieten deutlich mehr Möglichkeiten als Front Row selbst. In der schwierigsten Situation befindet sich dabei wohl MediaCentral, ein Großteil der Innovationen kommen derzeit unübersehbar aus der Open Source-Ecke, da hat man es als kommerzielle Lösung etwas schwer noch eine passende Nische zu finden. Momentan ist das vor allem die Integration mit dem eigenen TV-Tuner, bei den meisten anderen Punkten liefern Plex und Co. aber bessere Ergebnisse - und das noch dazu kostenlos.

Zukunft

Vor allem Boxee zeigt auch, wo die Zukunft des Media Centers hingehen könnte - in die verstärkte Vernetzung mit anderen und die konsequente Nutzung von Online-Services. Auch wenn die Software derzeit noch etwas buggy ist, bietet sie doch eine Vielzahl von spannenden Ansätzen. Man darf also gespannt sein, wie diese Entwicklung weiter geht. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 12.10.2008)

Screenshot: Andreas Proschofsky