Foto: brut/Hugo Glendinning

Wien - Erstmals seit fast zehn Jahren treten Forced Entertainment, die aus Sheffield stammenden Liebkinder aller Theaterfestivalmacher, mit nur zwei Gründungsmitgliedern aus dem Jahr 1984 in Erscheinung: Claire Marshall und Robin Arthur. An ihrem Gastspiel Spectacular, zu sehen noch Donnerstag, 20 Uhr, im brut-Künstlerhaus, ist denn auch eine Rückbesinnung auf die Anfänge ablesbar. Dazu wurde der Theaterapparat heruntergefahren, die Maschine abgestellt - und jetzt schaut man einmal, wohin die postdramatische Arbeit nach 24 Jahren geführt hat.

Die Performer aus der nordenglischen Industriestadt blicken auf eine legendäre Zeit zurück, in der maßlos vollgepackte und lange (!) Theaterabende glanzvolle Traumabrisse gaben. Was in Spectacular davon übrigbleibt, ist ein Skelett. Und dieses ist husch-pfusch auf einen billigen schwarzen Trainingsanzug gemalt. Robin Arthur als dickbäuchiger Tod schleicht in Wollsocken und ein wenig verhalten auf die blanke Fläche, die - das sieht man an den roten Vorhängen seitlich - einmal ein Theater war.

"Normalerweise", sagte er (auf Englisch), wäre vor ihm noch ein Komiker dran, der das Publikum in Stimmung versetzt. Und "normalerweise" nähme im hinteren Eck auch eine Band Aufstellung. Aber heute sei eben alles anders: Das Theater hat sich zurückgezogen, auch die Showtreppe fehlt. Das Letzte, was noch zu tun ist an dieser fragwürdigen, unsicheren Stelle, ist die große Sterbeszene. Auftritt Claire Marshall!

In Jeans und Ringelshirt, scheinbar privat, tritt sie ans Mikrofon und meldet bei dem publikumsverliebten schwarzen Mann lakonisch ihr Hinscheiden an: "I'd like to do my dying now." Und sobald die Frau in schmerzverzerrte Posen verfällt und sich unter Schreien am Boden windet, zieht der Tod seine One-Man-Show weiter durch und nimmt nur wenige Male und dann mitleidlos Anteil am sterbenden Akt hinter ihm. "Klingt wie Fahrstuhlmusik."

Mit der Trennung von Tod und Sterben in zwei charakterstarke Parts ist Forced Entertainment ein performativer Coup geglückt, der nicht nur eine heiter-brenzlige Geschichte erzählt, sondern in präzisem Handwerk auch Behauptungen des Theaters an sich verhandelt. Mit wenigen Sätzen und für einen Tod allemal als charmant zu bezeichnenden Gesten wirbt Robin Arthur um die nötige Imaginationskraft, die man als Zuseher einer schwarzen Bühne entgegenbringen sollte.

"Normalerweise", sagt er, "ist die Bühne vollgeräumt". Und aus der kühnen Differenz zwischen Behauptung und Eigentlichem schlägt dieser Abend seinen Gewinn. Die Strecke dazwischen darf man sich als unendlich denken. Am Ende weiß ein jeder nur für sich, welchem reizenden "Spektakel" (bzw. Anti-Spektakel) er oder sie beigewohnt hat. (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.10.2008)