Sozialminister Erwin Buchinger setzt die ÖVP unter Druck.

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Sozialminister Erwin Buchinger kann sich vorstellen, ein anderes Ministerium als das Sozialressort zu führen, sagte er zu Günther Oswald.

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Standard: Die ÖVP will sich bei der Regierungsbildung nicht unter Druck setzen lassen.

Buchinger: Den Zeitdruck macht nicht die SPÖ, den machen die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Bei einem erwarteten Wachstum von nur einem Prozent würde die Arbeitslosigkeit 2009 wieder steigen. Da muss die Regierung entsprechend gegensteuern. Insofern wäre es ganz wichtig, die Koalitionsverhandlungen rasch zum Abschluss zu bringen, weil eine handlungsfähige Regierung in schwierigen Zeiten umso wichtiger ist.

Standard: Es gibt aber auch eine amtierende Regierung.

Buchinger: Das würde auch reichen, wenn man sich über wichtige Fragen wie Konjunkturpaket, teilweises Inkrafttreten der Steuerreform im Laufe des Jahres 2009 und Kaufkraftsicherung einigt. Das ist aber genauso schwierig wie Koalitionsverhandlungen. Der große Vorteil von Koalitionsverhandlungen ist, dass sie für einen Fünf-Jahres-Zeitraum angelegt sind und nicht nur für die nächsten Wochen.

Standard: Macht Rot-Schwarz nach den letzten 18 Monaten überhaupt noch Sinn?

Buchinger: Es hat nicht funktioniert, weil die alte Garde - Schüssel, Molterer, Bartenstein - das Wahlergebnis von 2006 nicht akzeptieren wollte. Diese alte Garde wird, wenn ich die ÖVP-Signale richtig interpretiere, nicht mehr an vorderster Front Entscheidungen treffen. Damit gibt's die Chance, dass jüngere, unbelastete Kräfte in der ÖVP einen Neuanfang versuchen. Rot-Schwarz ist die einzige Form, die eine mögliche Stabilität und Übereinstimmung in Schlüsselfragen sicherstellen kann - wenn die Koalition von beiden gewollt wird.

Standard: Wäre eine Minderheitsregierung keine Alternative?

Buchinger: Wer würde nach der Neuwahl den Wählern in wenigen Monaten schon wieder eine Wahl zumuten wollen? Das wäre in höchstem Maße fahrlässig. Wenn es unvermeidlich ist, wird man sich ohnehin ins Unvermeidliche fügen. Aber es kann kein Ziel sein.

Standard: Macht es Sinn, FPÖ und BZÖ weiter als mögliche Koalitionspartner auszuschließen?

Buchinger: Ich würde mir einen Reifeprozess bei FPÖ und BZÖ wünschen, der es ermöglicht, auch mit diesen Parteien vorbehaltlose Koalitionsverhandlungen zu führen. Dafür bedarf es zweier Anforderungen:Erstens eine unmissverständliche Distanzierung von der nationalsozialistischen Vergangenheit und, sofern die personell nicht gegeben ist, eine Lösung von Personen. Der Antifaschismus ist ein Grundbaustein der Zweiten Republik, der Umgang von Teilen von FPÖ und BZÖ mit dem Nationalsozialismus ist nonchalant bis hin zu verharmlosend. Man rechtfertigt sich immer nur so weit, wie das unbedingt erforderlich ist.

Standard: Können Sie das personifizieren?

Buchinger: Ich möchte das nicht personifizieren. Aber jedes Mal, wenn es derartige Vorwürfe gibt, ist die Abhandlung dieser Vorwürfe unbefriedigend. Ob das beim jetzigen BZÖ-Abgeordneten Ernest Windholz ist oder beim FPÖ-Chef Strache: Es bleibt immer ein Beigeschmack.

Standard: Und der zweite Punkt?

Buchinger: Das Zweite ist die antihumanistische Haltung in Bezug auf Ausländer. So lang sich das nicht ändert, wird es keine Koalition mit diesen Parteien geben.

Standard: Zu Ihrer Zukunft: Angeblich will die Gewerkschaft den Sozialminister stellen. Wäre für Sie ein anderes Ministerium denkbar?

Buchinger: Ich würde eine Ministerfunktion übernehmen, wenn ich sie fachlich ausfüllen kann. Das ist nicht bei jedem Ministerium der Fall, aber ich denke, es wäre auch anderes als das Sozialministerium möglich. Aber das ist eine Entscheidung des Parteivorsitzenden. Er hat sich mir gegenüber noch nicht geäußert. (DER STANDARD Printausgabe, 9. Oktober 2008)