Ein Dünnschnitt durch die Taufliege Drosophila. Die Zellkerne sind blau gefärbt, das Zytoplasma gelb.

Foto: IMBA

Stammzellen sind jenes Reservoir, aus dem im Lauf der Entwicklung die unterschiedlichen Zell- und Gewebetypen eines Organismus hervorgehen. Einer der Schlüsselprozesse dabei ist die sogenannte asymmetrische Zellteilung. Den genauen Mechanismus dieser Zellteilung haben Forscher um Jürgen Knoblich am Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) nun bei Fliegen aufgeklärt. Ihre Arbeit wurde in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Cell veröffentlicht. Die österreichischen Erkenntnisse sind auch für das Verständnis der Krebsentstehung relevant.

"Ist nämlich dieser Mechanismus defekt, bilden sich bei der Zellteilung wieder zwei Stammzellen und so weiter" , erläutert Knoblich dem Standard, "und dieses dann unkontrollierte Zellwachstum führt mit anderen Faktoren zusammen zur Entstehung von Tumoren."

Läuft hingegen alles normal, so entstehen bei der asymmetrischen Zellteilung aus einer Stammzelle zwei unterschiedliche Nachkommen: je eine weitere Stammzelle und eine spezialisierte Zelle, die definierte Aufgaben zu erfüllen hat. Derartige Teilungen finden laufend während der Embryonalentwicklung statt, aber auch beim Ersatz abgestorbener Zellen im erwachsenen Körper. Bei asymmetrischer Zellteilung kommt es zu einer Verschiebung von Proteinen (Eiweißen) innerhalb der Zelle - mit dem Ergebnis, dass eine der Tochterzellen diese Proteine zur Gänze erbt, die andere hingegen leer ausgeht und damit Stammzelle bleibt.

Entdeckt wurde das Prinzip bereits vor fünfzehn Jahren: Im Haustierchen aller Genetiker, in der Taufliege Drosophila, fanden Forscher das Schlüsselprotein "Numb" , das nach der Teilung immer nur in einer der beiden Tochterzellen auftauchte. Obwohl dieses Phänomen schließlich in Hefezellen, im Fadenwurm C. elegans und später auch im Menschen in Muskel-, Nerven und Blutzellen nachgewiesen werden konnte, blieb der Mechanismus der einseitigen Verteilung bis vorige Woche, bis zu Knoblichs Veröffentlichung, rätselhaft. "Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass kleine Myosin-Motoren die Proteine auf eine Seite der Zelle pumpen oder dass die Eiweiße von winzigen Bläschen, von Vesikeln, auf die eine Seite transportiert werden" , sagt Knoblich. "Umso überraschter war ich, als wir herausgefunden hatten, dass die Proteine über ein Schaltersystem an eine Seite der Zellmembran geschoben werden."

Wie genau, skizziert der Biochemiker und Entwicklungsbiologe verkürzt derart: Vor der Zellteilung werde "Aurora A" aktiviert, ein "Kinase" genanntes Schaltermolekül, das andere Moleküle durch das Anhängen einer Phosphatgruppe aktiviert. Diese phosphoryliert die "atypische Protein Kinase C" (aPKC), die wiederum, ebenfalls als Schalter, andere Moleküle aktiviert, die schlussendlich das Numb-Protein modifizieren und an eine Seite in der Zelle schieben. Dort angelangt teilt sich die Zelle - eine Tochter (eine Seite) hat nun Numb, die andere Tochter nicht.

Mögliche Tumorbehandlung

Zwar gebe es laut Knoblich noch andere Mechanismen der asymmetrischen Zellteilung, doch sei dieser sicher der spektakulärste. Und vor allem: er sei ein mögliches Ziel einer künftigen stammzellorientierten Tumortherapie. "Wenngleich zwischen dem Aufdecken von Ursachen und der entsprechenden Behandlung viele Jahre intensiver Forschung liegen." Aber eines sei klar: Etliche an diesem Teilungsprozess beteiligte Proteine beziehungsweise deren codierende Gene spielten bei der Tumorentwicklung eine große Rolle: Von der Kinase Aurora A wisse man, dass sie in Tumorzellen übermäßig aktiv sei. Und Mutationen in Numb führten beispielsweise bei Fliegen zu Hirntumoren.

Aber auch bei Menschen gebe es Parallelen, so sei laut Knoblich etwa in Brustkrebszellen Numb sehr häufig mutiert. (fei/DER STANDARD, Printausgabe, 8.10.2008)